Nach unserem aufregenden Start in Los Angeles erwartete uns unser erster „Arbeitseinsatz“ in der Nähe von San Francisco, genauer gesagt in der East Bay im beschaulichen Örtchen Orinda.
Das Wort Arbeitseinsatz ist mit Absicht in Anführungszeichen gesetzt, denn von harter Arbeit konnte bei diesem Traumjob nicht die Rede sein. Das Inserat bei Workaway war zu gut, um wahr zu sein: „Britische Familie sucht jemanden, der sich während der Urlaubszeit um Hündin Greta und die Hühner kümmert.“ Babysitting für einen blonden Labrador mit ganz viel Auslauf und einem großen, leeren Haus inmitten der schönsten Umgebung der Bay Area. Ein kleines Wunder, dass die Familie bei all den Anfragen uns ausgewählt hat!
Der E-Mailverkehr zwischen Donna & Rob und uns war so leicht, herzlich, unbekümmert und gut organisiert, dass es einfach nur großartig werden konnte! Sie haben uns vorab eine Liste mit allen wichtigen To-Do’s im Haus geschickt (Wann werden die Mülltonnen entleert? Wo befindet sich was? Wie funktioniert die Waschmaschine, etc.) sowie tollen Spaziergängen (inklusive Google Maps-Links!), die jederzeit mit Hund möglich sind.
Wir kamen also gut vorbereitet in Oakland an, wo uns Donna und ihr Töchterchen Evie mit Hundi Greta abgeholt haben. Das Eis war schnell gebrochen (wow, schon nach einer Woche USA haben wir den britischen Akzent vermisst) und auch Evie hat uns gleich ins Herz geschlossen. Rob musste noch länger arbeiten (und hat einen ziemlich außergewöhnlicher Beruf als „structural engineer“, wo er darauf spezialisiert ist, Gebäude, Brücken, Riesenräder, Stadien, also so ziemlich alles, erdbebensicher zu planen) und Sohnemann Joe war noch im Summer Camp.
Zu Hause wurden wir von einem Traumhaus empfangen und mit leckerem Essen bewirtet (wow, kann Donna Leckereien in null-komma-nix zaubern!). Unser Zimmer war wunderschön eingerichtet, Greta ganz glücklich über neue Spielkameraden und wir waren es auch: Hier würden wir wundervolle 4 Wochen verbringen und die Gegend erkunden!
Auf unserem Nachtschrank hat Donna allerhand Nützliches für uns zusammengestellt, u.a. Reiseführer, Hundespaziergänge, Karten, ein Plan der BART (dem öffentlichen Verkehrsmittel, das Orinda mit San Francisco verbindet) und vielen Ausflugszielen für die gesamte Bay Area. Sie hat immer wieder betont, dass wir die Zeit unbedingt nutzen sollen, um ganz viel zu erleben. Der Dogsitter Steve käme immer dienstags und donnerstags und würde Greta auf einen 2-3 stündigen Walk ausführen. Also ideale Bedingungen, um nach San Francisco zu fahren.
Donna war ein echter Schatz und hat uns alle Freiheiten gelassen; Rob hat Björn noch das zweite Familienauto mit Kennzeichen „PUDDNG“ (Pudding) erklärt und beide hatten vollstes Vertrauen in uns, dass Hund, Hühner und Haus bei uns in besten Händen sein würden.
Wer wissen möchte, was Donna nebenher alles noch so macht (wir sind schwerst beeindruckt!), der kann mal einen Blick auf „Genuine Goodness“ wagen; einem frisch gegründeten Unternehmen für gesunde, naturbelassene Smoothies, Snacks und Suppen, die sie mit zwei weiteren Gründerinnen in den Schulen der Gegend vertreibt. Aber das ist natürlich noch nicht alles: Sie ist super engagiert in den Schulen der Kids und hilft, wo sie kann.
Außerdem veranstaltet sie englische Tea Partys, wo sie in ihrer kommerziellen Küche stundenlang Scones, Fudge, Flapjacks, Carrot Cakes & Co. backt… hm, lecker! Aber natürlich kann sie auch jegliche andere Festivitäten organisieren und tatvoll mit Gesichsmalerei und Luftballonkunst verstärken. Ein echtes Allround-Talent!
Und hatten wir schon erwähnt, dass sie auch eine Lizenz hat, Leute im Bogenschießen zu unterrichten? Ach, und einen Strickkurs macht sie auch noch wöchentlich mit einer Freundin. Und ist führendes Mitglied des örtlichen Samstag-Biomarkts, wo sie vor einem Jahr auch noch selbst einen Great Britain-Stand hatte. Puh… woher Donna die ganze Energie nimmt, ist uns weiterhin ein Rätsel. Sie macht das alles spielerisch, wie es scheint. Und nebenbei hat sie noch gesamten Road Trip mit dem Trailer quer durch den Westen der USA geplant und den gesamten Familienkalender im Kopf! Yep, Multitasking ist in diesem Falle wirklich Frauenmetier.
Einen Tag darauf (Rob hatte Joe inzwischen vom Summer Camp abgeholt) ging’s dann für die Familie los und Greta und wir haben ihnen zum Abschied hinterhergewunken (stellt euch mal Gretas Pfote vor beim Winken!). Und was war wohl unser erster Trip? Na, logo! Der Tilden National Park, um Greta mal richtig schön auszupowern!
Die erste Nacht nach vielen Monaten Backpackerleben in Hostels sowie auf Sofas und Teppichen anderer Leute war schon irgendwie komisch. Einfach wieder zu zweit sein! Und wie haben wir die Zeit verbracht? Genau wie zu Hause in Berlin. Beide mit Netbook oder iPad Mini auf dem Sofa vor dem Fernseher mit irgendeiner Serie auf Netflix. Und da denkt man, man würde sich großartig verändern auf Reisen, um schnurstracks wieder in alte Gewohnheiten zu verfallen. Björn kümmert sich um unseren Social Media-Auftritt und bastelt an den Videos; Maike sortiert und bearbeitet Fotos und versucht die letzten Wochen in die Tasten zu hauen, damit auch ja nichts aus dem Gedächtnis verschwindet. So ist dann eben doch die Realität zwischen allem Erlebten: Wir müssen die Zeit finden, um alles niederzuschreiben und aufzuarbeiten.
Derweil sitzt unser Reisekompagnon Lena weiter in L.A. fest, weil ihr potenzieller Workaway-Gastgeber ganz in unserer Nähe sich einfach nicht meldet oder noch mehr komische Sachen von ihr und über sie wissen will. Nach ein paar Tagen und wenig Fortschritt haben wir Donna und Rob dann eine E-Mail geschrieben, ob es OK sei, Lena zu uns zu holen, um so schneller eine Möglichkeit zu finden, sie und ihren „host“ zusammenzuführen. Natürlich haben die beiden zugestimmt und so saß Lena wenig später mit uns am Abendbrottisch. Trotz zahlreicher Versuche sie noch an den besagten „Mann zu bringen“, ist die Sache dann doch noch geplatzt, weil er urplötzlich mit einer für ihn besseren Alternative daherkam. Dumm gelaufen für ihn; welch ein Glück für uns, denn unsere Gastgeber waren einfach erste Sahne und meinten, wir könnten Greta auch zu dritt bespaßen!
Also haben wir in den nächsten Wochen Berkeley (insgesamt 4x!), San Francisco (auch 4x!), Silicon Valley, das Weingebiet Napa Valley, die berühmten Redwoods im Muir Woods Park und den Sierra National Park besucht. Ein volles Programm mit viel Spaß für Greta, die wir – außer in den Städten – immer mit dabei hatten.
Die Hühnerchen haben wir fleißig gefüttert, ihren Stall gesäubert und dabei versucht das arme weiße Hühnchen „Trader José“ (benannt nach dem Ei-Einkaufsort „Trader Joe’s“, dem amerikanischen Pendant zu Aldi) wieder aufzupäppeln. Hühner können ganz schön fies sein… und die dicken Dinger sind immer mit Gegacker und Flügelschlag auf den armen Trader José, der natürlich eigentlich ein Mädchen und damit eine „Josie“ ist, losgegangen. Während unserer Zeit haben wir unsere Morgen immer mit leckerem Frühstück (Donna und Rob legen auf gesunde, frische Lebensmittel wert…jippie! Der Hostel-Nudelfraß und abendliche Snack-Heißattackenhunger, der an Imbissbuden endet, sind passé!) und einer Folge „How I Met Your Mother“ auf Netflix gestartet.
Zuvor war Björn als einziger, fahrsicherer PUDDNG-Autonutzer noch mit Greta im Park; nachmittags oder abends haben wir dann alle zusammen eine große Runde gemacht – oft an immer wechselnen Orten – es sei denn, wir waren eh den ganzen Tag mit unserer treuen Blondine unterwegs. Unsere kleine Greta war wirklich ein liebenswerter Fall für sich: Als Zuchthund missbraucht, wurde sie nach sieben Jahren einfach irgendwo ausgesetzt, die Zitzen bis auf den Boden hängend und danach in ein Tierheim gebracht, wo sich unsere britische Familie dann ein Herz gefasst und sie mit nach Hause genommen hat. Seitdem musste Greta mehrmals wegen Würmern im Herz und anderer Dilemma unters Messer und erholt sich nun nach und nach wieder. Seitdem sie ausgesetzt wurde, hat Greta nun Angst wieder alleine gelassen zu werden, was sich darin äußerst, dass sie NIEMALS alleine in einem Raum bleiben würde, wenn jemand im Haus wäre.
Da sie besonders in ihrem Björn verliebt war, ist sie ihm einfach überall hingefolgt. Treppe hoch, Treppe runter, raus in den Garten, vors Bad, zum Auto – einfach überall hin. Und abends? Na, da hat sie mit uns im Zimmer auf ihrer Decke geschlafen. Und bei unserem Camping-Ausflug? Na, bei ihrem Lieblingsbjörni mit im Zelt; schmusen und pupsen inklusive. Ansonsten war Greta ein Traum von einem Hund: super pflegeleicht, leicht zu begeistern (man gebe ihr einen Ball und sie wäre über Stunden mit Fangen beschäftigt!) und sehr kuschelaffin.
Wir haben so viele Videos von dem kleinen Fellmonster gemacht, weil sie einfach zu goldig ist, wenn sie um Aufmerksamkeit und Liebe bettelt. Wenn wir beispielsweise Frühstück essen (sie darf nicht in die Küche), steht sie vor der Linie (von der sie genau weiß, ab wann sie sie nicht überschreiten darf) und hüpft und hechelt auf und ab. Dabei schenkt sie uns ihr größtes Lächeln und jammert mitleidsheischend und schwanzwedelnd bis wir uns erbarmen. Die Tränendrüse funktioniert super – vor allem hatte sie Hundeliebhaber Björn fest im Griff. 😉
Im Lake Anza, einem Teil des Parks, haben wir sie zum Spazieren ausgeführt und sie so richtig in ihrem Element gesehen: Wasser! Wenn man ihr einen Ball ins Wasser wirft, wird sie zur Wasserratte und findet kein Halten mehr. Sie wäre so in ihrem Ballwahn, dass sie – so vermuten wir – untergehen würde vor Erschöpfung solange es nur einen Ball in ihrer Nähe gäbe. Unser nasses Etwas war überglücklich! Hundeshampoo und Bürsten war danach natürlich Programm!
Wie die unteren Bilder schon verraten, haben wir es uns mit gesunden Leckereien und amerikanischen To Do’s (Mikrowellen-Maccarroni und Käse! Iiiieh!) gut gehen lassen; und als unsere Gastfamilie dann nach zwei (Rob musste eine Woche früher wieder zur Arbeit) bis drei Wochen (alle wieder da!) nach Hause kam, haben wir unser erstes amerikanisches Barbecue gehabt (sooo lecker). Rob hat uns sogar kulinarisch richtig verwöhnt, denn er hat uns ein Tri-tip Steak zubereitet, was nur so auf der Zunge zerging! Wahnsinn! In Norddeutschland trägt es den Namen „Bürgermeisterstück“ oder „Pastorenstück“ (noch viel besser wie wir finden!), in Süddeutschland hingegen – Achtung, Aha-Effekt, heißt es „Tafelspitz“. Hatten wir noch nie zuvor probiert und war mehr als lecker!
Außerdem hat er uns einen großen Wunsch auf unserer Amerikaliste erfüllt und ist mit uns zu Cosco, dem XXL-Supermarkt, gefahren. Was für ein Erlebnis! Die Bilder veröffentlichen wir in einem späteren Artikel, wenn wir euch unsere „Bucket list“ vorstellen (dafür gibt es im Deutschen leider keine schöne Übersetzung… im übertragenen Sinne wäre es: „Liste von Dingen, die man vor Lebensende gemacht haben will“… nur eben auf die USA übertragen). Da bekommt ihr dann die volle Ladung der Nordamerika-Vorurteile auf Mensch („Hiiii, how are you today? – fettes Zahnpasta-Bleaching-Grinsen inklusive) und auf Nahrung gemünzt (Burger, Hotdogs, Mac’n Cheese, Pizza, Barbecues, etc.). Bleibt gespannt!
Nun aber gedanklich zurück zur Ankunft unserer Gastfamilie, denn dieser besondere Tag fiel genau auf Lenas 30. Geburtstag! Wie toll! Den Morgen und Vormittag haben wir mit Geschenken (Mexiko-Lonely Planet – Lena ist nun wieder auf dem Weg Richtung Zentralamerika; neuem John Green-Buch, Blümchen und Luftballon) und Deluxe-Frühstück zugebracht; den frühen Nachmittag mit unserem ersten (!) richtigen Spaziergang durch Orinda und einem Kinobesuch (stand mit auf der To Do-Liste!).
Greta war dienstags bei Dogsitter Steve in guten Händen. Das Kino hätten wir nicht besser wählen können: ein kleines, niedliches 50er Jahre-Ding, das von der Gemeinde und Spendengeldern getragen wird. Der Raum, in dem unsere Filmvorführung war, war irgendwie ägyptisch gehalten und hatte einen beleuchteten Sternenhimmel – sehr originell. Der Kinosaal daneben war noch viel größer und mit großen Gemälden gespickt. Nur die Filmauswahl war etwas spärlich, denn den Animationsfilm „Inside Outside“ hatten wir gerade verpasst und nun war das einzig nicht allzu anstrengende Mittagsprogramm ausgerechnet „Mission Impossible“. Mit Tom Cruise, den Maike ja seit seinem Sektenkult bei Scientology ja eigentlich strikt boykottiert. Aber was das Geburtstagskind möchte, wird auch gemacht. Und der Film war bis auf einige logische Schwachstellen gar nicht so verkehrt.
Danach haben wir unsere klimatisierten Eiskörper in der Sonne wieder aufgetaut und sind einen Kaffee bei Peets Coffee & Tea trinken gegangen, um dann die 30 Minuten zu Fuß wieder den Berg hochzuschlendern. Rob brauchte „Pudding“ an dem Tag für ein paar Geschäftstermine. Oben angekommen, sprang uns gleich freudestrahlend Evie entgegen, die dem Geburtstagskind wenig später eine Wellness-Spa Behandlung verpasste (Haare kämmen, bewässern, Marshmallow mit Caramellcreme fütternd).
Wir hingegen haben der Familie beim Auspacken geholfen, Geschichten ausgetauscht und konnten endlich den wahrgewordenen American Dream bestaunen: den Trailer (bzw. das Platzwunder!) von innen! Einfach irre! Als sei der Geburtstag nicht schon perfekt genug gewesen, haben uns Donna und die Kids auch noch mit kleinen Geschenken bedacht! Es hätte anders herum sein müssen – schließlich hatten wir eine großartige Zeit bei ihnen zu Hause und mit ihrem Hund! So hat Lena neuen Western-Halsschmuck ihr eigen nennen dürfen und wir können fortan Western-Rezepte in unserem neuen Kochbuch nachkochen! Wie toll ist das denn bitte?! Als sei das nicht schon genug, haben sie danach noch vorgeschlagen, abends chinesisches Essen zu bestellen (jaaa, die typischen To Go-Boxen aus den amerikanischen Serien!).
Als i-Tüpfelchen hat Donna später noch ihre ganzen Luftballon-Knetkünste spielen lassen und insbesondere Lena mit allerlei luftgefüllten Tierformationen ausgestattet. Maike wurde kurzerhand zum Pirat mit Schwert, Hut und Gürtel; Björn zur Fee mit pinken Flügeln – von Evie liebevoll als „dishwashing dinosaur“ getauft (geschirrspülender Dinosaurier – der von ihr kreierte Song dazu ist ein echter Ohrwurm. Auf Anfrage singen wir gerne vor!) – Björns Spezialgebiet! 🙂 Mit allerlei Ballon-Getier ausgestattet, war das große Finale dann das Dessert-Highlight, von dem uns Rob schon eine Woche zuvor vorgeschwärmt hatte: eine personalisierte Schoko-Eistorte! Eigens für Lena besorgt (ist die Familie nicht einfach umwerfend?!), war Kerzen ausblasen natürlich ein Muss! So ging ein ziemlich perfekter Tag zu Ende (Kleine Anmerkung: Die zuvor bei Cosco erworbene 1,5l Gin-Flasche für speziell diesen Feierzweck erwähnen wir an dieser Stelle nur nebenbei – es waren ein paar seeeehr alkoholische Gin Tonic-Nächte…).
Unseren letzten gemeinsamen Tag haben wir dann nach dem obligatorischen Packen (wow, waren unsere Backpacks schon immer so schwer?) auch noch mit etwas extrem Coolen verbracht: Bogenschießen! Die Kids haben das Erklären vollends und mit aller Sorgfalt übernommen und uns in die Kunst des Bogenschießens eingeweiht. Ein paar Versuche und sogar einige Treffer kann man auf den Bildern sogar erkennen! Ein Sport, der ziemlich Spaß macht, aber einiges an Armmuckis erfordert. Nach einem letzten leckeren Mittagessen und ein paar Abschiedstränen (schließlich trennten wir uns diesmal wirklich final von Lena nach drei (!) gemeinsamen Reisemonaten) fuhr uns Donna mit Evie, Lena und Greta im Schlepptau wieder nach Oakland zur Greyhound-Station, wo wir wenig später in den Bus stiegen. Lena sollte am gleichen Abend den Nachtbus nach Tijuana mit Zwischenstopp in Los Angeles nehmen.
Knapp fünf Wochen vergingen wie im Flug und wir sind unfassbar dankbar, dass wir seit unserer Ankunft von jedem so herzlich aufgenommen wurden! Dass dabei auch ganz großartige Bilder entstehen, könnt ihr nun hier sehen: