Ein Tages-Roadtrip von Pisac bis Ollantaytambo und zurück über Chinchero
Neben dem Machu Picchu gibt es rund um Cusco noch so viel zu entdecken. So etwa das „Valle Sagrado“, das anders als der Name vermuten lässt, nicht wegen irgendwelcher Götter besonders heilig ist, sondern weil es super fruchtbares Ackerland ist! Es war das landwirtschaftlich bedeutendste Hochtal der Inkas und ist es für die Einheimischen noch heute. Ganz genau genommen, ist das Valle Sagrado die Gegend zwischen den Ortschaften Pisac und Ollantaytambo.
Um dorthin zu kommen und dabei ein paar Hintergrundinfos mitzunehmen, haben wir eine Tagestour von Cusco aus gebucht. Das für Peru so typische „boleto turistico“ kann vorher in Cusco oder bei der ersten Ruine in Pisac gekauft werden. Wir haben uns für das Tagesticket entschieden, weil wir dann erst einmal genug Inkaruinen in 5 Tagen gesehen hatten (Machu Picchu als Sonderfall natürlich).
Heilig, weil landwirtschaftlich gesehen ein Juwel also: vor allem für den Anbau von Kartoffeln (über 3.000 Sorten in Peru in allen Formen und Farben!), Quinoa (rot/gelb/schwarz), Kiwicha (auch bekannt als Amaranth), Bohnen und Mais. Während der Regenzeit wird gepflanzt und in der Trockenzeit werden die Bäche ausgenutzt, die sich rings um den Urubamba, den wichtigsten Fluss, abzweigen. Die Familien nutzen die zwei Zeiten recht clever: In der Trockenzeit passiert quasi das Gedeihen der Pflanzen wie von selbst und die Familien gehen anderen Berufen nach. Die Männer sind meist auf dem Bau oder bei Minen beschäftigt; die Frauen halten die Handwerkskunst am Leben und weben, basteln, stricken und nähen, was das Zeug hält, um es auf den Märkten und bei jeder Gelegenheit an Touristen auf der Straße zu verkaufen. Auch interessant: Der Eukalyptusbaum ist hier die Hauptholzart für den Häuserbau oder für Feuerholz im Hochland.
Im 12.-16 Jahrhundert galt Quechua hier als Hauptsprache und noch heute spürt man die traditionellen Wurzeln. Was uns schon optisch in Bolivien begeisterte, ist auch hier Standard: Frauen in traditionellen Röcken, Schuhen, mit Stulpen, geflochtenen Haaren und schickem Hut. Und die knallbunten Tücher auf dem Rücken natürlich, wo sie ziemlich alles von Baby bis Holz transportiert wird.
Die Ruinen von Pisac
Wir fuhren weiter durch das größte, grüne Treibhaus der Region entlang des Río Urubamba und zahlreichen, majestätisch anmutenden Terrassen (Wie konnten sie die nur so hoch bauen weitab von allem? Wer hat die Steine geschleppt? Fragen über Fragen… einfach große Meisterwerke!) in Richtung der Ruinen der Pisac. Das sind atemberaubende Terrassen, die wohl auf den Inka Tawantinsuyu im 14./15. Jahrhundert zurückgehen. Davon sind 40% Gebäude und 60% landwirtschaftliche Terrassen und Wände, die Erosionen während der Regenzeit verhindern und dazu noch dekorativ sind. Da die Sonne bekanntlich DAS zentrale Thema der Inka ist und verehrt wird wie nichts anderes, verwundert es auch nicht, dass die Gräber der Toten nicht im Boden stecken, sondern in Löchern im Felsen.
Würde man den Friedhof genauer auf seine 10.000 Bewohner aus dem Jenseits inspizieren, so würde man feststellen, dass sie alle in Fötusposition mumifiziert wurden, weil die Inka glaubten, dass sie als Samen wieder in die Erde zurückgehen, so wie sie entstanden sind. Zurück zu Mutter Erde: „Pachamama“. Die Gebäude sind übrigens innen wie außen mit Lehm und Schlamm verarbeitet, weil es hoch oben immer kräftig windig ist.
Nach ein bisschen Freizeit, in der wir selbst die Gebäude und Terrassen erkunden konnten, wartete das Busspektakel auf uns. Unser kleiner Van hat schlauerweise so weit nach hinten wie möglich geparkt, weil weiter vorne zur Ruine keine Chance auf Durchkommen gewesen wäre. Wir konnten nämlich knapp dem Massenstrom an Besuchern entgehen und flüchten, bevor kein Bild mehr ohne Horden an Touristen möglich gewesen wäre. Weiter den Vorsprung zu den großen Bussen ausnutzend, sind wir in die Stadt Pisac gefahren, wo wir zuerst in einer Schmuckfabrik Halt gemacht haben, die keine Chinaware, sondern echte Kunstwaren aus Silber und Steinen produziert. In vielen Schmuckstücken ist auch die Flagge der indigenen Bevölkerung, die speziell in der Region um Cusco gezeigt wird, vertreten. Diese ist so bunt wie die Flagge Boliviens, nur komplett gestreift in allen Regenbogenfarben außer weiß und pink. Denn sonst wäre es die Flagge der internationalen Schwulengemeinschaft. Leicht zu verwechseln.
In der Schmuckwerkstatt wird noch von Hand ausgeschnitten und gefräst, u.a. das Anden-Kreuz, das mit Kreis in der Mitte „qosco“ als Nabel der Inka zeigt und sehr viel mehr Symbolik in sich trägt. So steht jedes Quadrat für die Triologie der „3 Reisen“, die man oben, auf und unter der Erde lebt. Die vier Ecken stehen für die vier Himmelsrichtungen und die 3 Stufen zu jeder Seite für die wichtigsten Tiere der Inka und ihre Bedeutung: 1. Condor – die Spiritualität (Geburt, Nähe zur Sonne) 2. Puma – die Kraft des Lebens (Menschsein auf der Erde) 3. Schlange – das Wissen (das Alter und der Tod, nah zum Erdboden).
Und jetzt noch ein paar Tipps für den „echten“ Schmuckkauf in Peru: Das beste Silber ist das 950er Silber, ein Gemisch aus Kupfer und Silber, und unterscheidet sich vom Imitat darin, dass es nicht so glänzend weiß ist und noch dazu sei es schwerer. Auch ein Babyalpaca-Pullover dürfte nicht unter 300 Soles auf dem Markt erhältlich sein, wo es aber durchschnittlich für 80 Soles und weniger verkauft wird. Apropos Markt: Dort waren wir dann anschließend, haben selbstredend keinen Silberschmuck erworben, dafür aber ein Stricksouvenir in der leisen Hoffnung einen gewissen Echtheitsgrad erwischt zu haben.
Ollantaytambo
Nach der Mittagspause ging es weiter durch kleine Dörfer und satte Landschaften bis wir Ollantaytambo erreichten. Ebenfalls ein Ort mit viel buntem Treiben auf dem Markt, einer guten Auswahl an Cafés und Restaurant und besagter Bahnverbindung nach Aguas Calientes Richtung Machu Picchu, weshalb sich hier zwangsläufig viele Touristen tummeln. Namensgeber war ein Soldat namens „Ollantay“, „tambo“ bedeutet Steinarbeit.
Besagter Soldat wollte damals sein eigenes Land finden und baute nach erfolgreicher Suche die heute berühmte Anlage mit den 2km steilen Terrassen mit einem einwandfrei funktionierenden Wassersystem. Bei einem Panoramablick aus dem Flugzeug würde sich zeigen, dass die Terrassen in Form eines Lamas gebaut wurden. Auch hier sind die Inkas nach den 1570ern vor den Spaniern in den Dschungel geflüchtet und haben den Ort so sich selbst überlassen. Unvorstellbar, dass sie die Steine für die Anlage 6km vom Fluss hochgetragen und gezogen haben. Auch hier wird man wieder Löcher in Höhlen finden – diesmal als Lager für Lebensmittel, da es hoch oben sehr windig ist und das Getreide somit gut trocknet.
Der Sonnentempel befindet sich natürlich nah zur Sonne, also weit oben, und wurde genau an den Fleck gebaut, wo einmal im Jahr der Sonnenaufgang in den Augen des Profils des „Mannes im Berg“ scheint. Wir versuchen uns vorzustellen, wie Soldat Ollantay oder einer seiner Baubrüder sich den Berg gegenüber anschaut, ein Gesicht im Bergprofil entdeckt und so lange wartet bis an der Stelle, wo die Augen sein müssten, Licht darauf scheint und genau auf den Spot scheint, wo der Sonnentempel hinmuss. Logo. In puncto „ordentlich Mühe gegeben“, haben wir noch so ein Beispiel auf Lager: Wer auch immer sich die Arbeit gemacht hat, das genau zu berechnen, dem gehört auf die Schulter geklopft, denn eines der übriggebliebenden Gebäude zeigt genau am 21.06. die Sommerzeitwende an, indem NUR dann, um eine bestimmte Uhrzeit Licht in Form eines Sonnentriangels durch ein Fenster in den Schatten des Hauses scheint. Faszinierend und unheimlich zugleich.
Letzter Fun Fact zu Ollantaytambo: Die Stadt ist das einzige verbliebene Beispiel für Stadtplanung aus der Inka-Zeit. Noch heute dürfen hier keine Hochhäuser gebaut, sondern müssen alle Gebäude im Sinne der Inkazeit nachempfunden werden.
Chinchero
Letzter Stopp der Tagesreise ist Chinchero, das absolut malerisch (wahrscheinlich auch dem fantastischen nahenden Sonnenuntergang geschuldet) in der Landschaft des heiligen Inkatals gelegen ist. Im Dörfchen Chinchero gibt es natürlich – was auch sonst – Relikte der Inkazeit zu bewundern. Und zwar die des royalen Sitzes von Inkahäuptling Tupac Inca Yupanqui. Die Mauern sind noch gut erhalten und wurden auch an diesem späten Nachmittag noch weiter restauriert (die armen Männer, die da die schweren Steine in Schubkarren wuchten). Es war Sommersitz der Inkas und ist einfach hübsch anzusehen.
Viel spannender als noch mehr Inkageschichte sind jedoch die Fakten zu „Peru Heute“, die uns unser Guide Heidi (ja, wirklich. Eine Vollblut-Peruanerin namens Heidi) geliefert hat. Wir können nicht mit Sicherheit ortografisch korrekt die Quechua-Wörter wiedergeben, glauben aber verstanden zu haben, wie hier der „Helferhase“ hoppelt. Denn auf dem Weg zur Ruine Chincheros sind wir an einem Kartoffelfeld vorbeigefahren, wo so ziemlich das halbe Dorf mitgeholfen hat, per Hand die Kartoffeln aus dem Boden ans Licht zu befördern. Auch dabei waren extrem alte Mütterchen, was uns das Herz schwer werden ließ.
Daraufhin entgegnete uns Heidi folgende Worte einer weiteren Triologie: 1. Yachay – lerne 2. Yankay – arbeite 3. Munay – liebe. Hier sei es üblich, dass man sich – einem ungeschriebenen Gesetz – untereinander hilft. Alles im Sinne dieser Quechua-Triologie. Das Omalein hat also ihre Weisheit weitergegeben und wahrscheinlich nur noch wenig angepackt und die Kids dafür – wo gut sie konnten – ein Stück weit mehr. Familie ist hier unheimlich wichtig und Tradition fest verankert (was man sich wiederum im großen Lima so gar nicht vorstellen kann). Heidi bemängelte trotz aller Familien- und Landesliebe dennoch, dass die Grundstücke exorbitant teuer seien, Familien sich keine eigenen Häuser und kein Land leisten könnten. Interessant ist aber, dass sobald man ein Haus, eine Hütte, was auch immer gebaut hat und sechs Jahre darin wohnt, man automatisch lebenslangen Anspruch auf Haus und Land hat. Deshalb gibt es so viele halbfertigen Hütten überall und Orte, die wir vielleicht als Favelas bezeichnen würden (gerade auf den Hügeln Limas).
Der Besuch der Schule ist theoretisch zwar gratis, aber die Kosten für Schuluniform, Bücher und bestimmte Materialien sind teilweise nicht tragbar und so können immer noch viele Kids der Region nicht zur Schule gehen. Hitzig debattiert wird auch der Bau eines eigenen Flughafens für die Region um Cusco, die viele Befürworter auf Seiten des Tourismus‘ hat, aber ebenso viele Gegner für den Erhalt der (noch halbwegs) unberührten Kultur.
Alles in allem eine super informative Tour mit so schönen Aussichtspunkten, interessanten Ruinen (wenn auch teilweise recht überlaufen) und tollen Leuten auf unserer Tour (die Amerikaner… so ein aufgeschlossenes Völkchen)!
Nützliches:
– Tagestour mit Orellana Tours für 30 Soles in der Straße Garcilaso; inkl. englischsprachigem Guide mit tollem Hintergrundwissen, Fahrt im Minivan
– Boleto Turistico, um die heiligen Stätten besuchen zu dürfen, kann in Cusco oder in Pisac erworben werden; Tagesticket für 70 Soles, 10-Tagesticket für alle Stätten inkl. Cusco-Doppeldeckertour und Museumseintritten für 140 Soles
– Tourstart 8:30 Uhr vor dem Office; Ende spät. 18 Uhr (es besteht die Möglichkeit, die Minivan-Tour als Möglichkeit zu nutzen, um in Ollantaytambo am Zug herausgelassen zu werden, um weiter nach Aguas Calientes zu reisen – clever, zwei Fliegen mit einer Klappe!)
– Mittagessen ist exklusive; man muss NICHT das überteuerte, wenn auch bestimmt lohnenswerte Buffet für 30-60 Soles vor Ort nutzen, das einem der Veranstalter aufdrücken möchte / selbst, wenn sie sagen, in der Nähe gäbe es keine anderen Optionen – schlichtweg erfunden. Wir haben sehr gut für 6 Soles gegessen – Suppe, Hauptmahlzeit, Getränk.
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