Schon vor unserer Reise war der Torres del Paine Nationalpark unsere Identifikation mit Weite, Natur, Abgeschiedenheit und Patagonien-Fernweh. Wir haben uns auf unseren Südamerika-Pinterest-Boards schon vorab richtig Lust auf die Region gemacht und waren voller Ehrfurcht vor dem Trekking, das uns bevorstand. Zu recht. Was in El Chaltén die Übung vor der „großen“ 5-Tagestour im Torres del Paine war, schien wirklich nötig, um uns auf den ungefähren Härtegrad der Wanderungen vorzubereiten. Denn rund ums Fitz Roy-Gebirgsmassiv hatten wir noch den Luxus einer Tagestour ohne schwere Backpacks.

Nun also der wahr gewordene, zugegebermaßen teure, Traum: Torres del Paine.

Die Low Budget-Variante: Camping mit Eigenverpflegung

Einer unserer absoluten Lieblingsblogs, nämlich Steffis „a daily travel mate“ zeigt euch die Luxusvariante: Nämlich mit leichtem Gepäck, sprich Tagesrucksack, bei Halbpension bzw. Lunchpaketen und Übernachten in Refugios, den Hütten mit 6er Mehrbettzimmer (Ja, Luxus! Bei Preisen von 35€ für das reine Bett und ca. 60€ für ein Bett mit Bettwäsche. Einfach nur Wucher!)

Hier die beiden Links für alle Non-camper (Steffi ist – anders als wir – aus Argentinien angereist): „Vorbereitung & Nützliches“ und „Tages-Rückblicke der Wandertouren“ 

Wir haben also für ca. 13,40€ p.P. für 5 Trekking-Tage im Supermarkt eingekauft und unser 30€-„Johnny Müller“-Sparzelt an den Backpack geschnallt. Ballast in Form von Klamotten, Krims Krams und Kulturbeutel haben wir im Hostel gelassen und nur das Allernötigste gepackt. Es hieß, Ende Februar würde es von Sonne bis Schnee und krassem Wind einfach alles geben. Der Torres del Paine sei unberechenbar. Aber nun strukturiert von vorne, damit auch potenzielle Nachahmer etwas davon haben:

Den Torres del Paine erreicht man bei Camping-Wunsch von der chilenischen Seite aus am besten. So kann man in Puerto Natales noch einmal alle Vorräte aufstocken und – superclever – sich fehlendes Equipment direkt im Ort ausleihen. Wir sind von El Calafate sechs Busstunden inkl. Grenzübergang für je 760 CLP (ca. 77,50€ für uns beide) nach Puerto Natales gefahren. Da wir noch in der Ferienzeit unterwegs waren, dauert’s an der Grenze eine ganze Weile. Und Chile scheint sein Nachbarland Argentinien nicht unbedingt zu mögen: Es kann fast nichts eingeführt werden, Frisches schon gar nicht. Samen, Kräuter und landwirtschaftliche Endprodukte (Haferflocken, Tee?) schon gar nicht. Dementsprechend haben wir unsere Camping-Verpflegungstüte brav deklariert und durch den Scanner gejagt. Alles fein. Aber aufwändig ist es schon, die Gepäckstücke jedes Busses auszuladen und neu zu beladen. Aber in Puerto Natales angekommen (kaaalt! Wo kommt der ganze Wind her?! Wie wird’s wohl erst im Torres del Paine?!), sind wir die altbewährte „Einer-bleibt-beim-Gepäck-die-anderen-suchen-eine-günstige-Unterkunft“-Strategie gefahren. Nach 3-4 Hostels und Hospedajes war die beste Übernachtungsmöglichkeit gefunden.

Unser Hostel-Tipp für 8.000 CLP inkl. Frühstück, Wifi, Restaurant, Camping, Kamin (!): Hostal „Yosmar“ in der Avenida Arturo Prat, Ecke Carlos Condell

Wenn man bei der Dame den Bus zur Torres-Tour für 12.000 CLP hin/zurück bucht (Bus Goméz), kann man sein Gepäck gratis in einem extra Raum unterstellen und wird am Abfahrtstag zum Busbahnhof gefahren. Am Busbahnhof kostet die Fahrt teilweise zwar nur 10.000 CLP, aber es gibt keinen Gepäckservice. Und im Hostal Yosmar würde jeder Tag 1.000 CLP kostet, also wesentlich mehr. Da haben wir der Lady doch gerne das bisschen Provision aus dem Ticketverkauf geschenkt. 🙂

Am ersten Tag in Puerto Natales haben wir also nach vielen Zeltnächten in El Chaltén und El Calafate mal wieder ein Bett genossen. Im 4er Zimmer für uns drei allein, ruhig und mollig-warm am Kamin und mit vielen, netten Mit-Hostelanern, u.a. aus Chile, Deutschland und der Schweiz. Die schwäbische Familie, die im umgebauten Van als „Die Fotoreisenden“ mit kleiner Tochter unterwegs sind, haben uns von ihrem Torres-Tagesausflug inkl. Aufeinandertreffen mit Daniel Brühl und seiner wohl ziemlich dünnen Freundin erzählt; das Schweizer Pärchen – ebenfalls im umgebauten Van unterwegs – reist schon seit fünf Jahren ohne festen Wohnsitz (drei Jahre davon in ihrer Herzensheimat Afrika) und hatten ebenfalls großartige Geschichten zu berichten (inkl. Campervan-Tour – der Wahnsinn, was da alles hineinpasst!) und die chilenische Reisegruppe hat uns die besten Torres-Campingtipps und Routenvorschläge geliefert. Deswegen kann man Hostels nur mögen: Die Vielfalt und die Aufgeschlossenheit gibt’s wirklich nur hier!

Wir haben uns also mental auf unser Abenteuer vorbereitet, nach Webspace-Startschwierigkeiten die vorbereiteten Blogartikel der letzten Wochen hochgeladen (suuuper Wifi!) und waren im Unimarc für die Wanderung einkaufen.

Tageshighlight blieb jedoch DER Tipp von den Chilenen im Hostel: Das „Mesita Grande“ – die wohl beste Pizzeria Patagoniens (mit Pizza-Schwester in Punta Arenas). Und endlich, endlich hatten auch wir unseren ersten Pisco Sour (siehe Fotos) – yummy! Und die Pizzas: ein Gedicht!

Der Ort selbst hat seinen eigenen, rauen Charme und ist sich trotz vieler Touristen und touristischer Angebote irgendwie treu geblieben. Kein Schmuckstück unter den Städten – aber die Reizüberflutung gibt ja sowieso der Torres del Paine her.

Bevor wir mit der tagtäglichen Berichterstattung loslegen, ein paar Infos, die bei der Reiseplanung unterstützen. Wir empfanden die Planung und das Hick-Hack um das Vorabbuchen der Zeltplätze als kleine Herausforderung. Aber nicht entmutigen lassen – es kommt wie es kommt. Und die Wetterberichte könnt ihr getrost vergessen. Einfach loswandern. Der Rest passiert von ganz allein. Es nützt nichts, sich den Kopf über Kilometerabstände und Zeiteinheiten, bessere Zeltplätze und Angstbammel vorm patagonischen Wind zu zermatern. Es kommt wie es kommt. Also los:

 

VERPFLEGUNG FÜR FÜNF TAGE / EINKAUF IM UNIMARC IN PUERTO NATALES:

(galt für 3 Personen; Mengen können natürlich variiert werden)

– 1x 1kg Reis (Schnellkochvariante)
– 2x 400g Spirelli-Nudeln (Schnellkochvariante)
– 1 Packung Haferflocken
– 6 Bananen (alternativ: Trockenobst!)
– 6 Äpfel
– 3 kleine Tomatensoßenpäckchen
– Kräuter (Oregano, Pfeffer, nach Belieben)
– 3 Avocados (super Fettquelle und Butterersatz ohne Kühlen)
– 2x Parmesan-Tütchen
– 2x Toastbrot (leicht)
– Nüsse
– Schoki / Kekse / Marmorkuchen / Powerriegel
– Dulce de Leche oder Marmelade (fürs Brot und als Süßungsmittel für Haferbrei)
– Tee und/oder Kaffee (wahlweise mit Milchpulver oder eben „schwarz“)

–> ca. 9.500 CLP p.P.

ROUTENMÖGLICHKEIT MIT PREISEN IN CHILENISCHEN PESOS (CLP) – „Der W-Trek“ von rechts nach links:

– Bus zum Park hin/rück (Empfehlung ist der 7:30 Uhr von Bus Goméz)  12.000 (im Hostel bezahlt, Bustickets erhalten) (Gepäck im Hostel unterstellen inkl.)
– Nationalparkeintritt: 18.000
– Bus zum ersten offiziellen Start Hotel Las Torres: 2.800 (nur Barzahlung)
(bzw. dem Camping Las Torres und Refugio Torre Central/Norte)

– Tag 1: Camping Las Torres (Tagestour ohne Gepäck): 8.500 (kann online gebucht werden od. wird vor Ort abkassiert)
– Tag 2: Von Torre Central zum Camping Frances: 8.500
– Tag 3: Camping Francés (Tagestour zum Mirador Británico): 8.500
– Tag 4: Von Francés zum Camping Paine Grande: 5.200
– Tag 5: Camping Paine (Tagestour zum Lago Grey): 5.200
– Tag 6: Katamaran um 12 Uhr zum Pudeto Pier (Bus um 13:30h zurück): 15.000 (nur Barzahlung)
__________

83.700

Inklusive Supermarkt-Einkauf von ca. 10.000 CLP p.P. liegt man so bei knapp 93.700 CLP. Wenn man vor Ort auf den Campingplätzen nochmal Brot, Eier o.ä. nachkauft, kommt man locker auf 100.000 CLP; also auf 140€ pro Person.

–> Ein paar Tipps:

* Wenn ihr kein extrem wind- und wetterfestes Zelt habt (so wie wir), mietet eins. Vorab Reservieren empfiehlt sich! Kostenpunkt: 7.500 CLP pro Zelt. Kann man bei den Campingplätzen/Refugios, wo ihr gerade seid, „vorbestellen“. Glaubt uns, nichts ist schlimmer als ein regennasses Zelt und eine klitschnasse Isomatte zusammenzupacken. Macht keinen Spaß.)

* Die Preise für Lebensmittel und Hygieneartikel sind 4-5x so teuer wie in normalen Supermärkten. Uns wurde empfohlen unbedingt Wein zum „Wärmen“ und Geselligsein vorab zu kaufen. Wir dachten uns: Ach, nicht noch einen Liter mehr schleppen. Brauchen wir nicht. Pustekuchen! An Tag 2 sind wir schwach geworden und haben uns für 4.500 CLP den mäßig guten „Clos“ am Refugio gegönnt. Die Verlockung, sich nach einer endlos langen Wanderung zu belohnen, war einfach zu groß.

* Nehmt euch jeder eine Wasserflasche mit. Das reicht. In Patagonien bekommt ihr das beste Wasser des Landes direkt aus den Flüssen, Wasserfällen und Seen. Einfach unterwegs immer wieder auffüllen. Darauf achten, dass es eine fließende Quelle ist und kein stehendes Gewässer. Sehr lecker und for free!

* Viele starten die Tour auch von „links nach rechts“, weil man so den tollen Blick auf die Torres ständig vor der Nase hat statt im Rücken. Jedoch: Wenn ihr morgens im Bus sitzt und die Torres ohne Nebel seht, werft eure Pläne hin und startet von rechts nach links. Das Wetter gönnt einem nur selten volle Sicht auf die Gipfel!

 

Hier die Links der beiden Anbieter, wo ihr alle Preise ausführlich dargestellt bekommt (lasst euch von der Informationsflut nicht einschüchtern):

Fantástico Sur –  (denen „gehört“ das private Gebiet des Parks, u.a. Las Torres, Chileno, Cuernos, Francés, Serón)

Vertice Patagonia – (bieten teilweise gratis Zeltplätze mit weniger Komfort an, u.a. Italiano, Británico, Paine Grande und Grey für 5.200 CLP, Los Guardas, Paso & Co für 4.200 CLP und weniger… wenn ihr das „O“ statt des „W“-Treks machen wollt)

Und nun zum wahr gewordenen Traum:

„TORRES DEL PAINE“ – Von atemberaubenden Aussichten bis zu „Ich kann keinen Schritt mehr weiter“

Tag 1 – Vom Camping Las Torres zum Mirador „Base de Las Torres“ und zurück / ca. 19km und 8 1/2h wandern:

Um 6:30 Uhr ging die Nacht recht früh zu Ende. Am Vorabend geduscht, haben wir uns nur noch in unsere Zwiebelschichten gepellt und das Frühstück des Hauses um 6:30 Uhr vertilgt. Dann hieß es Ballast loswerden und Tüten und Tagesrucksäcke im Gepäckraum verstauen. Bye, bye, Komfort, wir sehen und Sonntag wieder! Die Nacht haben wir vorsorglich bereits fürs selbe Zimmer reserviert. Um 7 Uhr hat uns der Hostelbesitzer dann mit seinem Van zum Busbahnhof gefahren und uns bis vor die richtige Busabfahrtsstelle begleitet. Idiotensicher. Bei der Uhrzeit und Masse an Busanbietern wirklich ein Segen. Pünktlich um 7:30 Uhr saßen wir dann im Bus Richtung Nationalpark, der nochmal 1 1/2h Fahrt (ca. 150km) entfernt von Puerto Natales liegt. Circa um 9 Uhr wurden wir dann am Parkeingang an der Laguna Amarga um je 18.000 CLP leichter (Nationalparkgebühren) und mussten feststellen, dass unsere geplante erste Nacht am Campingplatz Chileno schon vollends ausgebucht war. Unsere chilenischen Buddies vom Hostel meinten zwar, dass selbst zu später Stunde nie jemand vor Ort abgelehnt werden würde, den Zeltplatz zu nutzen, aber so ganz geheuer war uns der ungewisse Start nicht. Ohne also irgendeinen Zeltplatz zu buchen, ging es für uns weiter in den Videoraum, wo uns der orangefarbene „Mountain Pass“ ausgehändigt wurde, den wir anscheinend bei jeder Wanderstation einem Ranger präsentieren sollten, um nicht „verloren“ zu gehen. (Wir haben das Ding nie benutzt, aber man soll es wohl ständig bei sich tragen.)

Dann wurde uns ein dreiminütiges Video zum Park, seiner Flora und Fauna und den Parkregeln gezeigt, u.a. werden mit 3 Jahren Knast gedroht, wenn man an unausgewiesenen Stellen ein offenes Feuer macht (Hintergrund dazu: Es gab zuletzt 2008 einen verheerenden Brand, wohl ausgelöst durch Wildcamper; seitdem reagieren sie sehr empfindlich.) und Strafen von 2.000.000 CLP (ca. 4.000 USD). Und nach dem bürokratischen Zettel-Wirr-Warr konnte man dann theoretisch starten. Oder einen weiteren Shuttlebus Richtung Camping Las Torres / Refugio Central bzw. Endstation Hotel Las Torres nehmen; nur 7 Fahrminuten, aber 1 1/2 Wanderstunden entfernt. Den letzten Luxus von 2.800 CLP haben wir uns also gegönnt und bei bestem Wetter darauf gewartet, dass der Bus sich langsam füllt. Nach uns kamen nämlich immer weitere Tourbusse an, die die vielen Wanderhungrigen ausgeworfen haben. Von paradiesischer, endloser Stille und Weite ohne eine Menschenseele konnten wir uns also gleich an Tag 1 verabschieden. Dafür ist einer der berühmtesten Parks der Welt schlichtweg zu bekannt.

Umso schöner waren dann a) unsere Entdeckung aus dem linken Fenster (immer noch auf die Abfahrt wartend), nämlich ein Flussbett überquerendes Guanaco mit bombigem Berg-Panorama (Mist, Kamera im Backpack und der wiederum im Bus-Kofferraum!) und b) unsere Sitzbarn hinter uns, die uns dank Berliner Dialekt auffielen. Man muss dazu wissen, dass wir bereits seit Ankunft nach Bundesland-Genossen suchen, denn wohin das Ohr auch horcht, es hört nur Schwaben, Bazis und Schweizer. Die Berliner Schnauze hinter uns entpuppten sich als – die Welt ist ein Dorf – Geschwisterpaar aus der Uckermark. Alex und Ines aus Schwedt sollten uns fortan begleiten und wir als Power-Quintett aus „Team Schwedt“ und „Team Touristik“ in den folgenden Nächten Zeltnachbar und Wanderpartner werden. Den beiden verdanken wir den Tipp, doch unser Zeug einfach „unten“ beim Camping Las Torres zu lassen, das Zelt fix aufzubauen und dann ohne Gepäck den 4,5h Trek (nur one way) hoch zum Mirador „Base de Las Torres“ zu laufen.

Gesagt getan. Das Wetter zeigte sich immer noch von seiner Sonnenseite und nach getaner Zeltaufbau-Arbeit sind wir mit dem Nötigsten aufgebrochen. Sicherlich haben Corinna und Maike dabei für die „echten“ Wanderer (die mit den schweren Backpacks) lustig ausgesehen, denn ohne Tagesrucksack blieb ihnen nur eine Tüte für Wasser und Verpflegung übrig. Björn hingegen konnte endlich die Umhängetaschen-Funktion seines Osprey’s testen (das Oberteil lässt sich nämlich abtrennen – überhaupt rennen gefühlt 80% mit Björns Backpack-Modell Osprey Aether 70l herum).

Puh, wir dachten, nach den ganzen Walks in El Chaltén kann uns keine Strecke mehr schocken, aber auf die Länge gesehen, hatte es Tag 1 noch in sich. Die ersten 2h Stunden bis zum Camping Chileno boten Traumaussichten, aber auch An- und Abstiege, die uns zwiebelbeschichtetem Gespann echten Schweiß abforderten. Wir dachten, es würde so endlos kalt werden und nun wurde es warm?! Verrückt. Aber spätestens 2h später wussten wir, warum wir Merinooberteil, Fleecejacke und Windbreaker mitgeschleppt hatten: Das Wetter änderte sich mit jeder Minute Richtung Regen und Wind und am Mirador hat es uns weggepustet und die berühmten Torres versanken in der Spitze bereits im Nebel. Ähnlich mystisch wie der „Laguna de los Tres“-Mirador beim Fitz Roy-Trek strecken sich die Gipfel dem Himmel empor und das Wasser sieht so appetitlich milchig-blau aus, dass man eine Eissorte daraus kreieren könnte! Aber hallelujah, die letzten 50 Minuten kosten die letzte Kraft, die wir noch hatten: Geröll und unbefestigte Steine überall. Und den richtigen Weg zu finden (kleine orangefarbene Striche, Plastikstäbchen, Pfeiler oder bemalte Steine) war auch so eine Sache für sich, wenn man sich von Stein zu Stein vorarbeitet.

Der Rückweg ging dann ab der zweiten Stunde relativ flott, aber ab dem Camping Chileno – circa 2h von unserem Zeltlager entfernt – hat uns der Wettergott verlassen und es hat geregnet als gäb’s keinen Morgen mehr. Wir waren trotz Regenjacke durchnässt und es bot sich auch so gut wie kein Wetterschutz auf der Rückstrecke. Etwas durchfroren, ausgehungert und misstrauisch ob „Johnny Müller’s“ Standfestigkeit gegenüber den Naturgewalten gingen wir dann duschen, das Vorzelt neu richten und im kaum überdachten und damit völlig überteuerten Campingplatz Abendessen zubereiten (Nudeln, Klappe die Erste!). Zwei Stunden später hörte der Regen urplötzlich auf und der Wind setzte ein. Richtig, richtig warmer Wind. Das Gute: Unsere nassen Sachen waren am Baum festgebunden in null komma nichts wieder trocken. Das Doofe: Johnny Müller’s billige Plastikstangen bogen sich bis aufs Äußerste zu allen Seiten und wir haben die Nacht nach Notumzug zu einer anderen, nicht minder windigen Stelle, irgendwie überlebt. „Na hoppla, wenn das so weiter geht, dann…“

Tag 2 – Vom Camping Las Torres zum Camping Francés / ca. 13,5km und 6 1/2h wandern bei vollem Gepäck:

Das Glück des gepäckfreien Wanderns blieb uns leider an Tag 2 nicht vergönnt. Aber die Sonne war mit uns – nur der Wind volle Breitseite gegen uns, weil frontal – und die Aussichten auf den Lago Nordernskjöld einfach atemberaubend. Nach einer besonders kräftigen Brise erschien er auf einmal: Der Ausblick, den wir schon von den Vorfreude-Bildern im heimischen Berliner Winter am Laptop kannten. Die Entlohnung für den auf der Karte so ausgewiesen einfachen, relativ kurzen Weg, der sich als ziemlich lang entpuppte. Fototechnisch bestimmt die schönste Strecke im Nachhinein. Dementsprechend viel Zeit haben wir in Foto-Stopps und Päuschen investiert. Und das Schöne an der Strecke war auch, dass sie im Vergleich zu Tag 1 relativ menschenleer war. Diese Route machen nämlich keine Tagestouristen, da es keinen Bus zurück gäbe.

Hier kommt also zum ersten Mal so richtiges Patagonien-Weite-Stille-Naturgewalten-Feeling auf. Wäre da nur nicht das Extra-Gewicht: Denn trotz gut eingestellten Rucksäcken drücken die Gurte und Schnallen an Schulter und Hüfte früher oder später. Und dann endlich am Camping Los Cuernos angekommen, das wie aus dem Nichts zwischen Wäldern erschien, hatten wir kaum noch Kraft und Lust den weiteren Weg zum Camping Francés auf uns zu nehmen. Aber an Ort und Stelle bleiben wäre – wie Merkel sagen würde – „alternativlos“. Wir hätten so den nächsten Tag in Kilometern gerechnet, nicht gepackt. Also weiter, immer weiter.

Wären nicht der See zu unserer linken, die Sonne, der Strand und die Wälder mit ihrer Ausdruckskraft gewesen, wir hätten keinen Schritt mehr gekonnt. Die letzte Stunde war dann noch einmal eine richtige Plackerei: Steinekrabbeln deluxe. Anstiege mit 15kg-Rucksack gehen eben nicht so locker und der Schweiß war noch die geringste Sorge. Björn hat sich gleich nach den ersten zwei Stunden unglücklich mit Gesamtmasse des Rucksacks auf Hand und Knie hingepackt und wurde erst einmal mit allen verfügbaren medizinischen Mittelchen versorgt (danke Aydan für das Erste-Hilfe-Equipment!). Humpelnd, natürlich wesentlich langsamer als sonst und mit dicker werdendem Knie haben uns gemeinsam an die letzten Kilometer gemacht. Und auch für Maike war speziell die letzte Stunde ein Kapitel Wandergeschichte, das geschlossen bleiben kann. Glücklicherweise wurden wir mit einem tollen, brandneuen Campingplatz belohnt, der windgeschützt im Wald lag und einen Traum von einer sanitären Anlage vorzuweisen hatte: Wasserfallduschen mit viel Platz und saubere Toiletten. Unser „Team Schwedt“ Ines und Alex waren diesmal unsere direkten Zeltnachbarn, die auf unseren Tipp hin auch bis zum Francés und nicht noch weiter bis zum Gratis-Zeltplatz Italiano weiter gewandert sind (der hat keine tollen Toiletten, keine Duschen und ist überfüllt – logisch, weil gratis). Den Abend und den Schreck von Björns Sturz haben wir mit den überteuren Wein aus dem Refugio Francés (was nochmal eine gefühlte kleine Ewigkeit vom Zeltplatz entfernt ist) verdaut.

 

Tag 3 – Vom Camping Francés bis zum Mirador Británico und zurück / ca. 13km und 6-7h wandern ohne Gepäck:

Wieder einmal bei bestem Sonnenschein sind wir in Tag 3 gestartet! Nach dem üblichen Haferbrei gesüßt mit Dulce de Leche sind wir diesmal zu viert aufgebrochen. Björn hat sein dickes, rot-blaues Knie geschont und einen Ausruhtag im Zelt eingelegt (schön auf dem iPad die 11Freunde-Ausgabe gelesen und viel Jan Böhmermann & Olli Schulz-Radiosendungen gehört… sweet life!).

Vom Camping Francés bis zum nächsten Punkt auf der Karte, dem gratis Zeltplatz Italiano sind es nochmal eine halbe Stunde und ca. 1km. Im Nachhinein keine krasse Strecke… wer also selbst mal eine Camping-Wandertour durch den Torres del Paine plant und mehr Kondition als wir Bürohengste hat und noch dazu ein echter Sparfuchs ist, der kann es auch bis dahin packen. Die meisten scheinen diese Option gewählt zu haben, denn es war proppenvoll als wir ankamen (noch dazu ist das Refugio und Camping Francés erst seit 2 Monaten [Stand: Feb 2015] eröffnet und dementsprechend noch nicht auf dem offiziellen Kartenmaterial eingetragen. Wahrscheinlich wussten viele auch nichts davon).

Beim dortigen Italiano-Parkranger kann man sich theoretisch seinen orangefarbenen Pass abstempeln und auch sein Gepäck lassen. Dann kann man die goldene Mitte des „W“-Treks bei Wasser und Snackverpflegung meistern. Wir waren ja sowieso nur mit Björns Umhängetaschen unterwegs und haben unsere Wasserflasche am Rio Francés, der den gesamten Weg links von uns floss, immer wieder aufgefüllt. Die Strecke ist auch hier wieder malerisch und die Sonne hat uns mit vereinzelten Wölkchen den ganzen Tag beschienen. Der erste Mirador erscheint nach circa 1 1/2 Stunden und bietet eine spektakuläre Sicht auf den Glaciar Francés, wo es ab und an kracht und knackt, wenn Teile vom Gletschereis abbrechen (wer sich die volle Ladung Gletscher geben will, besucht am besten den Perito Moreno nahe El Calafate – 32km ächzende Eismassen). Die Strecke an sich wäre mit Backpack sehr anspruchsvoll, weil Steine-Hopping durch und durch. Durch die Gepäckerleichterung ging es aber; man musste nur auf die Wege achten und manchmal aufpassen auf welche Wurzel oder welchen Stein man als nächstes tritt. Zur linken (Glaciar Francés) und zur rechten (Bergmassiv Los Cuernos) als sagenhafte Landschaften, die weitere 2h später mit dem „Vorreiter“ des Miradors Británico erst so richtig ersichtlich wurden. Auf einem Steinberg haben wir zusammen mit ca. 30-40 anderen Wanderern die Aussicht genossen. Laut Karte wäre es noch ein Stückchen weiter gewesen, allerdings war auf der Beschilderung vor Ort der eigentliche Aussichtspunkt offiziell durchgestrichen (Felsrutsch, Schlecht-Wetter-Verwüstungen? Wir wissen es nicht.)

Nach einigen Stunden und „Sinnlos“-Anstiegen und -Abstiegen wie Alex die chilenische Machart der Wanderwege gern betitelte, hatten wir unser Zeltlager wieder erreicht. Björn hat der Truppe heißes Wasser für Tee gekocht und als echter Camping-Hausmann die Nudeln mit exquisiter 50ct-Tomatensoße angereichert. Ein Festmahl! Na gut, wir müssen ehrlich sein: Was macht man wohl, wenn man stundenlang wandert und dabei quatscht – richtig: übers Essen reden! Wir träumten also bereits wieder von der leckeren Pizza im „Mesita Grande“ (Puerto Natales), die wir uns gönnen wollten und einem weiteren Pisco Sour. Alex, der 2m-Hüne, freute sich den „lomo a lo pobre“-Steak-Pommes-Fleischberg und eigentlich alle auf deutsche Buletten… Echt witzig wie man auf Reisen die eigene Landesküche glorifiziert. Das mit den Körnerbrötchen war bereits klar, aber Buletten? Unsere Omis können sich jetzt schon einmal mental auf den Hackfleisch-Bratmarathon einstellen. Wenn wir zu Weihnachten wieder da sind, lassen wir die Gans links liegen und stürzen uns auf Buletten und Schnitzel.

 

Tag 4 – Vom Camping Francés zum Camping Paine Grande / ca. 9km und 4-5h bei vollem Gepäck:

Von allen Tagen war es das kürzeste Stück, das wir zu bewältigen hatten. So konnte sich auch Humpelchen Björn motivieren, wieder das Gepäck zu schultern. Mit Holz-Wanderstock ging es wieder das halbe Stündchen zum Camping Italiano, wo sich der Weg zum linken „W“-Bogen per Brücke abgabelte.

Schon misstrauisch von den km- und Zeitangaben des Kartenmaterials sind wir uns also die ersten entspannten 2 1/2h entlang des Lago Sköttsberg zu unserer Linken gewandert und haben ein langes Päuschen am Mirador eingelegt. Schon eine halbe Wanderstunde später hat uns dann aber der Wind fast vom Weg gerissen; mit so einer Macht kam er uns entgegen… Und wir dachten bereits an die Worte aller Wanderer, die uns begegnet sind: Am Camping Paine Grande ist die gesamte Wiesenfläche ungeschützt und bläst direkt auf die Zelte. Ob „Johnny Müller“ das überleben würde?

Als wir nach einer weiteren Stunde dann das Refugio am Lago Pehoé in der Ferne entdeckten, wussten wir, was damit gemeint war. Wir haben uns das Meer an Zelten angesehen und bei manchen fehlte bereits das Überzelt oder die Zeltstangen waren gebrochen und bohrten sich durch das Zelt. Wir rechneten jetzt bereits mit „Johnny Müller“ als nächste Zeltleiche und haben kurzerhand beschlossen uns doch den Luxus eines Mietzeltes für die letzten verbleibenen zwei Nächte zu gönnen. Aber an der Rezeption sagte man uns, dass alle Zelte bereits reserviert seien und es nur noch Plätze in den 6er Mehrbettzimmer-Refugios gäbe (für irre viel Geld!). Es sei denn, wir würden bis 19 Uhr warten und schauen, ob bis dahin alle Wanderer mit Zeltreservierung angereist sind. Also noch einmal 3 Stunden Ungewissheit und ein eher mulmiges Gefühl.

Auf dem Weg zur Guardería, wo wir uns nach den Katamaran-Abfahrzeiten erkundigen wollten, sind uns drei deutsche Mädels begegnet, die wir schon feuchtfröhlich vom Camping Francés kannten. Etwas geknickt berichteten wir ihnen von unserem Zelt-Dilemma und der ungewissen Nacht… und die Damen meinten auch, dass sie bereits im Francés die letzten beiden Zweier-Zelte für Paine Grande gemietet hatten (an solchen „Knotenpunkten“ lohnt es sich also wirklich vorab zu reservieren!).

Als wir schon im Begriff waren zu gehen, pfiffen uns die Mädels jedoch zurück und boten an, uns eines ihrer Zelte zu überlassen. Sie würden sich zu dritt ins Zweier-Zelt kuscheln – so wie wir auch – und das Finanzielle einfach an der Anmeldestelle vorbeiregeln. Man muss nämlich dazu wissen, dass an jedem Zelt ein Zettel mit Aufenthaltsdauer und Personenanzahl steht und man seine Reisepassnummer beim Check-in hinterlassen muss. Es hätte also richtig Ärger geben können. Überglücklich über das Angebot der drei jungen Polizistinnen aus Düsseldorf berichteten wir Corinna davon und gaben den Mädels 20.000 CLP für Zeltmiete und Stellplatz (so hatten sowohl die Drei als auch wir ca. 2.500 CLP eingespart). Und wie sich herausstellte, sollten wir mehr als nur Glück haben, ein Zelt abbekommen zu haben. Die Nacht war nämlich nicht stürmisch, sondern regnerisch. „Johnny Müller“ ächzt ja schon beim kleinsten Tropfen und beschert uns nasse Sachen am Morgen danach. Das teure „Doite“-Zelt, das für drei Personen zwar beengt, aber möglich war, hielt dem Unwetter jedoch stand und wir waren heilfroh, die Nacht überstanden zu haben… Die war zwar eher vom Wach- als vom Schlafzustand geprägt (Regen kann einfach so unglaublich laut sein, wenn er aufs Zelt prasselt), aber alle Sachen blieben trocken und wir mussten nichts auf- oder abbauen. Ines und Alex hatten da schon mehr Mühe am Morgen danach das Zelt im Regen abzubauen.

Womit wir beim Regen wären: Es hat die ganze Nacht geschüttet und die Pfade für den letzten Part des W-Treks waren damit schön matschig, rutschig und der Ausblick auf den Glaciar Grey hinüber. Dunkle, dicke Wolken über den Bergen, die dicht verhangen und bedrohlich darüber ragten. Zur Seeseite jedoch sich langsam aufklarendes Wetter… Was tun? Wir haben uns für die Schönwetter-Variante entschieden: mit dem Katamaran zurück und weiter Richtung Puerto Natales. Denn der letzte Trek wäre noch dazu einer der längsten und anstrengesten gewesen, den wir kaum an einem Tag geschafft hätten.

 

Tag 5 – Vom Camping Paine Grande mit dem Katamaran zum Pudeto Pier / zurück mit Bus nach Puerto Natales

Zwar etwas traurig über das abrupte Schlechtwetter-Ende des Treks, aber froh über die richtige Entscheidung (Björns Knie hätte den Trek auch nicht gut verkraftet), haben wir schon um 10:00 Uhr den Katamaran bestiegen. Besser wäre der um 12:00 Uhr, denn dann ist die Wartezeit auf den Bus Goméz um 13:30 Uhr nicht so groß. Wir wollten allerdings nur von den dunklen Wolken weg zurück ins Trockene. Die halbstündige Fahrt auf dem Deck bescherte uns dann noch ein letztes Mal einmalige Landschaften, milchblaues Wasser und ein bisschen Wehmut.

Wir hatten es (fast) gepackt. Und am Abend gab es endlich wieder etwas anderes als Nudeln – Reis – Haferflocken. „Team Torres“ hat sich die Zeit am Pudeto Pier auf der Terrasse des einzigen Cafés (zu Spitzenpreisen! Haltet durch und kauft euch nichts! Die Stadt ist nicht mehr weit!) vertrieben und den restlichen Keksvorrat aufgebraucht. Die Fahrt mit dem Bus zurück hat wesentlich länger gedauert, aber wir wurden mit ganz vielen Guanacos auf Hügeln und in Graslandschaften belohnt. Und diesmal war die Kamera mit dabei! Was für lustige Tiere! Nach 3 Stunden und ein bisschen – es muss so gegen 16:30 Uhr / 17 Uhr gewesen sein – waren wir endlich wieder in der Stadt und sind zu fünft mit zwei Taxis zu unserem Hostel Yosmar (vorher noch die Bustickets weiter nach Punta Arenas gebucht; je 6000 CLP, ca. 3h Fahrt, ca. 17€ für 2 Personen).

Ines haben wir in unser 4er-Mehrbettzimmer mit einquartiert und Alex hat in einem anderen Mehrbettzimmer einen Schlafplatz gefunden. So konnte „Team Torres“ den letzten gemeinsamen Abend miteinander verbringen und noch dazu in Alex‘ Geburtstag reinfeiern! Nach einer guten Dusche, Gepäcksorterei und -abholerei waren wir startklar zum Essen und haben uns je nach Fleisches- und Esslust aufgeteilt: Corinna und Maike in der langersehnten Pizzeria zum Schlemmfest (Mesita Grande, Arturo Prat 196); Ines, Alex und Björn in einem brandneuen Boutique-Hostel mit Barbecue-Angebot (Wild Hostel, Manuel Bulnes 555). Danach sind wir noch in die chilenische Version eines Spätis und haben uns eine Flasche Rotwein fürs eigene Hostel gegönnt. Dort haben wir dann auch Fotos ausgetauscht, was dazu beiträgt, dass ihr hier die Crème de la Crème der pittoresken Landschaftsbilder seht. Danke an dieser Stelle an Ines für ihre Fotokünste, die wir hier mit Copyright veröffentlichen (Kameramodell: Nikon). Wir sehen uns hoffentlich alle wieder zur Welcome Back-Party in Berlin, wo wir Ines aus Bochum und Alex aus Dresden einfliegen lassen. Spätestens aber zum Spanferkel-Futtern im Frühjahr!

Wer Ines mal „hören“ möchte, schaltet – wie wir – am Sonntag, dem 15.03.2015 zwischen 15-18 Uhr, den Livestream von Radio Bochum ein. wir haben uns „Depeche Mode – People are People“ gewünscht. Yeah, Kulthits! Die Reisekraniche sind gespannt!

Danke für die gemeinsame Zeit, die schönen Stunden und das Power-Food am letzten Trekking-Abend (Chicken Sweet & Sour: lecker!).