Das Copacabana Boliviens und seine Sonneninsel

Zugegeben, bei Copacabana dachten wir zuerst auch an Rio und haben uns dann gewundert, wer hier wem den Namen geklaut hat. Fest steht: Das bolivianische Copacabana beansprucht das Recht auf Einzigkeit für sich. Soll doch die „Heilige Jungfrau von Copacabana“, die in der irre schönen Basilika der Stadt heimisch ist, als Kopie in Rio aufgefunden worden sein und so dem Viertel seinen Namen gegeben haben. Noch heute sorgt die Jungfrau Anfang/Mitte Februar für Scharen von segnungswilligen Menschen. Denn zu dieser Zeit wird so ziemlich alles gesegnet, was sich Gegenstand schimpft. Wenn in La Paz gar ein Unfall passiert, soll es wohl heißen „Na, haste dein Auto nicht in Copacabana segnen lassen, was?“. Hier weiht der Priester also auch Busse, Taxis und Privatfahrzeuge. Sieht schon auf Fotos ulkig aus und muss – zur richtigen Jahreszeit – ein lustiges Schauspiel sein.

Ansonsten geizt der Ort nicht mit seinen Reizen, was hauptsächlich natürlich an DEM See schlechthin liegt: dem Titicacasee; sage und schreibe 3.810m über dem Meeresspiegel gelegen und damit der größte, kommerziell schiffbare See der Welt. Aber ganz ehrlich: Stehste davor isses auch nur ein See. Nur, dass man auf dem Weg dahin aufgrund höhenbedingten Sauerstoffmangels schneller aus der Puste kommt. See bleibt See. Aber gebettet in eine Traumkulisse.

Das Stadtzentrum ist schnell erlaufen: Eine Straße mit Comedor-Markthalle (wo wir unsere erste „sopa de mani“ hatten. Erdnusssuppe mit Kartoffeln, Gemüse und Allerlei) und vielen kleinen Ständen, die wie sonst überall auch Gemüse, Obst, Brot, Klamotten, Nüsse uuuund Cerealien á la Bolivien (Riesenpopcorn, das aussieht wie Paket-Füllmaterial) verkaufen. Eine Straße voller „artesanias“, also Kunsthandwerksprodukten; vornehmlich Ketten, Schals, Pullover, Tischdecken, Instrumente und Nippes. Eine Straße voller Restaurants und Hostals.

Unsere Entdeckung ist jedoch ein kleines Café, dem wir überdurchschnittlich stark maximalstes Überleben wünschen. Das „Pan Americana“ ist eine kleine Wohlfühloase rechts von der großen Kirche am Plaza und bietet alles, wonach sich das nach Gesundem und Heimatgefühl verzehrende Gemüt sehnt. Die Inhaber sind zwei Expat-Amerikaner. Ein Ehepärchen, wohl in ihren Anfang 50ern, die vor 4 Jahren ihr Wohltäterherz in Copacabana verloren haben. Sie arbeiten beide an Projekten, die den Einheimischen ein freibestimmtes Leben auf dem Land ermöglichen, mit allem, was dazu gehört: Latrinen bauen, Gemüsebeete und Obstfelder anlegen, Englischunterricht, Handwerksarbeiten, eine selbstständige Wasserversorgung, etc. – Die beiden sind Allrounder und wirklich so unfassbar liebenswert. Sie haben ihr Café erst seit wenigen Monaten eröffnet, als „Hobby“ bzw. Nebeneinkunft für ihre Projekte. Finanziert werden sie aus den Staaten, fanden es aber nur fair genauso selbstbestimmt zu handeln und zu leben, wie sie es den Bolivianern versuchen beizubringen. Klingt einleuchtend und ziemlich selbstreflektiert, oder?

Jedenfalls könnten wir euch jetzt die gesamte, leckere und sehr ausgewählte Speisekarte herunterbeten, beschränken uns aber auf guten, „echten“ bolivianischen Kaffee, frisch gepresste Säfte, bolivianische heiße Schokolade mit Vanille, Quiches, Sandwiches mit echtem Käse mit Geschmack (Edamer, Parmesan, Schweizer Käse vom Direkthändler in La Paz) und Pizzas (hier gibt es Frühstückspizza; eine Erfindung der Chefin selbst!). Und die Süßspeisen erst! Sie lassen sich Zeit beim Zubereiten und nehmen sich die Zeit für ausführliche Gespräche über die Stadt, das Land, die Mentalität der Leute und ihre Projekte. Auf den Tischen liegen Fotoalben mit Arbeiten der beiden auf dem Land. Im Café selbst hilft ihnen ein schüchternes, bolivianisches Mädchen beim Zubereiten der Speisen und wenn sie mal Besorgungen erledigen müssen. Mittwochs und donnerstags schließen sie, um alles zu erledigen, was sonst so unter der Woche liegen bleibt, wie etwa Wäsche von Hand (!) zu waschen (es gibt nur für eine Viertelstunde fließend Wasser, da wo sie leben), die besonderen Lebensmittel aus La Paz zu besorgen und um sich den Hilfsprojekten zu widmen. Eine unglaubliche Geschichte wie wir finden. Dort haben wir uns also richtig satt geschlemmt und uns glücklich von all dem Zucker (heiße Schoki, Brownie, Carrot Cake, Peanut Cookie – ja, wir haben uns so einen richtigen Insulinschock gegeben!) an den Titicacasee gesetzt.

Bei herrlichstem Sonnenschein, den es hier angeblich über 300 Tage im Jahr gibt, haben wir dann einen Blick auf die zig Tretboote in Schwan-Optik geworfen und uns für ein quietschendes 30min-Wasserabenteuer entschieden. Das hat jeden von uns 1€ gekostet und ansonsten viel Spaß und schöne Aussichten gebracht. Und ach herrje, dann erstmal fein Siesta im Hostal Sonia gemacht. Man gönnt sich ja sonst nichts. Gerade mal das Essen vom „Pan America“ verdaut, war es auch wieder abends und wir bereit zur weiteren Bauchbefüllung. Und was macht man ganz typisch, wenn man am Titicacasee ist? Richtig, den heimischen Fisch essen, der nicht ansatzweise exotisch ist wie wir vermutet hätten: die gute alte Forelle. Und da in Bolivien das Essen fast ausschließlich als 3-Gänge-Menü serviert wird (eigentlich nur das Mittagsmenü, aber die Einheimischen passen sich den Touris wohl an), gab es vorab eine Quinoa-Suppe (lecker; werden wir zu Hause nachkochen), dann „trucha a la plancha“ – gegrillte Forelle mit Pommes und Reis und einer Deko-Tomatenscheibe (Reis und Kartoffeln werden ohne alles, also staubtrocken, serviert) und anschließend Bananenscheibchen in Schokosoße. Die Kalorienkeule hat an dem Tag definitiv gesessen! Mit gespannter Bauchdecke ob des Vielfraßes haben wir uns dann schnell ins Bett gekuschelt und sind müde eingeschlafen (das wiederum in Bolivien ein Mehrschichtprinzip aus mind. 2-3 Decken über dem Bettlaken ist – die Nächte werden kaaalt).

DIE ISLA DEL SOL

Der nächste Morgen begann wie so oft ziemlich früh, da wir das erste Boot um 8:30 Uhr zur Sonneninsel „Isla del Sol“ nehmen wollten. Das Frühstück im Hostel haben wir uns gespart und sind natürlich wieder ins „Pan Americana“ Frühstückspizza essen gegangen. Mit vielen Tipps, einer Karte und – jetzt kommt’s – GRATIS Lunchpaketen sind wir zum Hafen gegangen. Ein Gast hatte wohl Lunchpakete fürs falsche Datum bestellt, aber schon bezahlt, und so waren sie fertig und ohne Besitzer. Welch Glück! Die Lunchpakete bestehend aus einem Apfel, einem übergroßen Chocolate Chip Cookie, einem Schinken-Käse-Sandwich und einer Packung salziger Chips sollten uns über die gesamte Wanderung helfen!

Die Bootsfahrt lässt sich auf der Restaurant-Hostel-Meile ganz bequem ein paar Minuten vorher buchen. Am Hafen einfach das Ticket vorzeigen und man wird zum richtigen Boot gewiesen. Die Fahrt kann man entweder auf dem Dach oder im Innenbereich verbringen. Wir waren dick eingepackt und haben die knapp 2h oben gesessen und den schauerlich düsteren Himmel über dem See bestaunt, der glücklicherweise nicht einmal eine Stunde später aufklarte und strahlenden Sonnenschein hervorbrachte. Auf der Insel angekommen, begrüßte uns gleich ein Guide, der sich einem mehr oder weniger freiwillig anbot. Er ließ einem nicht so recht die Wahl die Nordinsel frei zu erkunden.

Wir haben trotzdem unser Ding gemacht, obwohl uns die Gruppe oder wir sie oft eingeholt haben. Die Luft war gefühlt noch dünner als auf dem Festland und die Anstiege, die man sonst locker gepackt hätte, dauerten eine gefühlte anstrengende Ewigkeit. Für die spektakulären Aussichten, die uns ein wenig an Irland und Malta erinnerten, hat es sich jedoch gelohnt! Auch das Ruinen-Labyrinth hat seinen Reiz und eignet sich gut als Picknickstelle. Nach einigen Stunden des Wanderns haben wir uns dann entschlossen wieder den Rückweg Richtung Örtchen anzutreten, um uns ein Hostal zu suchen (super schnell gefunden – ein kleiner Junge hat uns die Zimmer vermietet, sehr interessante Erfahrung). Dann haben wir uns im Örtchen umgesehen, einen Obstsalat gegessen, Coca-Tee gegen die Höhenkopfschmerzen getrunken und uns vom Vibe des Nichts-Tuns treiben lassen. Was so viel bedeutet wie: An den Strand legen und die Sonne genießen, den Sonnenuntergang über dem See bestaunen, die Strohhäuschen und ihre sehr traditionellen Bewohner ansehen (und verstehen lernen: hier wird Aymara gesprochen) und in ein Dauerlächeln verfallen aufgrund der vielen Schäfchen, Schweinchen und Esel, die abends durchs Dorf Richtung zu Hause getrieben wurden.

Je dunkler es wurde, desto mehr wunderte uns, dass es auch im Dorf dunkel blieb. Die kleinen Läden machten sich überall Kerzen an und auch die paar Restaurants im Ort schienen ziemlich finster. In einem der Lokale eingekehrt, wurde schnell klar, warum: Irgendwer hatte die Tage die Stromleitung gekippt und nichts ging mehr. Unser Restaurant hatte nur leider eine einzige Kerze und die stand schon auf dem Tisch hinter uns. Den ersten Gang – immer eine Suppe – haben wir noch als Dinner in the dark eingenommen und zum Hauptgang – mal wieder Forelle, diesmal frittiert – ging das Licht dann wieder an und der Ort hatte wieder Strom. Schon um 18:30 Uhr ist es in Bolivien im April ziemlich düster, was einem bei wenig Ausgehmöglichkeiten und einer Hostal-Zimmerausstattung von Bett und Tisch nur wenig Geselligkeitsspielraum gibt. Dementsprechend früh sind wir schlafen gegangen und morgens auch wieder aufgestanden, da Hahn und Esel um 6:30 Uhr schon ihr Bestes gegeben haben.

Um 8 Uhr waren wir also bereits wieder ausgecheckt, was soviel bedeutete wie: den Schlüssel mit Llama-Anhänger ans Schloss hängen, fertig. Der kleine Junge war wahrscheinlich gerade dabei, sich für die Schule fertig zu machen. Am Hafen haben wir dann noch ein Avocado-Käse-Sandwich für schlappe 10 BOL zu uns genommen und Coca-Tee geschlürft und dann ging es auch schon los auf die alternative Route am Wasser entlang, die mehr Ursprünglichkeit abseits des Hauptpfads zur Südinsel versprach. Und auch hier sollte die nette Amerikanerin des „Pan America“ Recht behalten: Der Weg war traumhaft und gesäumt von Stränden, schönen Ausblicken und ganz, ganz vielen Tieren. Die Einheimischen waren extrem freundlich und haben uns immer gegrüßt, was im schüchternen Bolivien eine Seltenheit ist. Niemand käme von selbst auf die Idee den Touristen zu fragen, wo er denn hinwolle und ob man helfen könne. Auf der Isla del Sol scheint das anders. Ein paar Stunden später im Süden angekommen, merkten wir durchaus den touristischen Touch, von dem alle sprachen; obwohl die nach Süßigkeiten bettelnden Kinder ausblieben. Wo waren die Kids? Die Gemeinde im Süden scheint definitiv mehr Geld zu haben, denn die Häuser sind farbig, schön dekoriert und mit schönen Gärten versehen. Auch ist das Angebot an Unterkünften und Essensangeboten größer, aber teurer. Wir würden dennoch immer wieder den Norden als Übernachtungsort wählen, denn er ist ursprünglicher und weniger „aufgehübscht“. Nach viel Ausruhzeit auf der Wiese und am Steg des Hafens haben wir um 15 Uhr das Boot zurückgenommen. Das Wetter war ganz auf unserer „Sonnen“seite.

Apropos Sonne: Die Insel soll ihren Namen vom Sonnengott erhalten haben, der den ersten Inka, Manco Capac, hierhin geschickt haben soll, um das Reich der Inka zu gründen. Dem Mythos nach habe die Sonne selbst auf der „Isla del Sol“ das Licht der Welt erblickt. Was gibt es Schöneres über seinen Geburtsort zu sagen als so etwas? Bei Maike sind es „nur“ Luthers Thesen und bei Björn Angela Merkels Heimat. 🙂

Nüzliches:
Busfahrt mit Diana Tours für 30 BOL (ca. 4€) von La Paz Hauptbusbahnhof nach Copacabana – Dauer ca. 3-4h – exkl. Fährüberfahrt von 2 BOL
– Übernachtung im Hostal Sonia, eine Nebenstraße von der Basilika, der großen Kirche, entfernt. ÜN im Doppelzimmer für 50 BOL (rund 13,50€) inkl. eigenem Bad / exkl. Frühstück (besitzen aber eine Kczyche), gratis Gepäckaufbewahrung bei einem Übernachtausflug auf die Isla del Sol
– 30 min Tretbootfahren auf dem Titicacasee für 4 Personen insg. 30 BOL
Pan America; mit Abstand die freundlichsten, bemühtesten, charmantesten Café-Besitzer, die wir je kennenlernen durften. UNBEDINGT hingehen, das Essen und die Herzenswärme genießen! Immer von 7 Uhr morgens bis 19 Uhr abends geöffnet. Mi + Do geschlossen.
Isla del Sol-Bootsfahrt one way für 25 BOL p.P. bis nach Norden (Abfahrt um 8:30 Uhr); am nächsten Tag vom Süden aus das Boot zurücknehmen für 20 BOL (Abfahrt 15 Uhr oder 16 Uhr) / Anbieter egal – kosten alle gleich
Eintrittgelder für die Isla del Sol einplanen: 10 BOL für den Norden, 15 BOL für den Süden, 5 BOL für den südlichsten Part
Tipp: Toiletten (immer 2 BOL) gibt es nur auf der Nord- und Südseite; dazwischen ist nur Natur pur.
Übernachtung im Norden der Insel günstiger: fast alle Hostals bieten ÜN im DZ mit geteiltem Bad für 25 BOL die Nacht an (das sind nicht mal 4€ p.P.!)
– Busfahrt von Copacabana nach Puno (Peru; mit Grenzübertritt) um 9 Uhr (Ankunft 12 Uhr Ortszeit) für 30 BOL p.P. mit TurBus