Kein San Francisco-Besuch ist komplett ohne ein Besuch des berühmten Tech-Nerd-Konglomerats Silicon Valley, dachten wir. Hm, naja. Wir überdenken diese Entscheidung heute für euch.
Soviel sei gesagt: Wir waren guuut vorbereitet. Mit einer Liste aller coolen Computer-Erstlinge und Internetrevolutionäre ausgestattet, die wir mühevoll selbst zusammengestellt haben – nope, Silicon Valley will wohl nicht besucht werden, denn Internetlisten zum Thema sucht man vergebens – sind wir in unseren Pudding (der silberne Pontiac unserer Workaway-Gastfamilie) gestiegen.
Ach, es sei erwähnt: Es gibt in der Tat eine Google Maps-Liste aller relevanten Firmen online – Link anbei – aber auf dem Smartphone ist das Ding wirklich unbrauchbar und unklickbar. Bevor wir mit unseren Ausflugserfahrungen beginnen, gibt’s wie immer etwas geistiges Futter zum Thema.
Silicon Valley einfach erklärt:
Hat nix mit Silikon zu tun, sondern mit Silicium; dem Halbleiterwerkstoff. Und genau genommen, ist das Tal auch kein Tal, sondern eher ein 80km langer, geographischer Abschnitt. Aber das nur am Rande. Seinen Namen bekam das Gebiet erst 1971, als ein Journalist über die sich dort entwickelnde Halbleiter- und Computerindustrie berichtete.
Das Silicon Valley ist der bedeutendste Standort der IT- und High-Tech-Industrie weltweit. Das alles begann in den 60er Jahren, als die Stanford Universtität, die gleich um die Ecke ist, ein Forschungs- und Industriegebiet errichtete. Dort entwickelten ehemalige Mitarbeiter von Elektronikfirmen oder Uni-Absolventen neue Ideen und Produkte – die Räumlichkeiten zur kleinen Miete bot ihnen die Uni. Darunter waren übrigens auch die Studenten William Hewlett und David Peckard (heute besser bekannt als Marke HP). Hardware entstand, dann Software.
Und wenige Jahrzehnte später konnte sich die Region vor Firmen kaum mehr retten; natürlich gibt es pro und contra (vor allem seitens der Umweltschützer). Inzwischen verteilen sich hier mehr als 7.000 Software– und Elektronikfirmen auf ca. 30 Städte, die wir beim Durchfahren kaum voneinander trennen konnten.
Fun Facts:
* Im Jahr 2014 haben 20% der amerkanischen Business-Hochschulabsolventen begonnen für eine Technologie-Firma zu arbeiten – der höchste Prozentsatz seit 2000.
* Im Fachjargon werden die neuesten und legendärsten, amerikanischen Startups, die mehr als eine Milliarde US-Dollar Wert sind, als „unicorn“ (Einhorn) bezeichnet. Die Top 3 sind hier aktuell: Uber (Taxirufservice), Airbnb (Unterkunftsanbieter) und Snapchat (kurzlebige Messaging-App).
* Der Wert aller Bay Area-Techfirmen übersteigt bereits die 3 Billionen US-Dollar-Marke.
* Die Mitarbeiter können sich – sofern sie keine Lust haben, selbst mit dem Auto zur Arbeit zu fahren – von den firmeneigenen Shuttlebussen abholen lassen. Das nennen wir mal arbeitnehmerfreundlich! Und die Carpool-Spur auf dem Freeway können sie auch gleich nutzen!
Ein paar Firmen mit hohem Bekanntheitsgrad (A-Y): Adobe, Airbnb, Amazon, Apple, Cisco, Dropbox, Ebay, Facebook, Google, HP, Intel, LinkedIn, Microsoft, Netflix, Oracle, PayPal, Salesforce, Twitter, Uber, Yahoo, Yelp, YouTube.
Wer sich gerne ganz doll schlau lesen möchte, dem haben wir weiterführende Literatur zusammengestellt:
– Mapping the fortunes of Silicon Valley, 23. Juli 2015, The Economist
– To fly, to fall, to fly again, 25. Juli 2015, The Economist
– Infoblatt Silicon Valley, 14.01.2015, Klett Verlag
Die „Highlights“ unserer selbst zusammengestellten Liste oder sagen wir mal, die am ehesten besuchbaren Tech-Imperien-Orte südlich der San Francisco Bay Area, seht ihr jetzt hier im total subjektiven Lena-Björn-Maike-Ranking.
Achtung, Ironie-Alarm.
– Kurzeinführung zur Firma: Die wohl berühmteste Suchmaschine der Welt. Gerade erst ein richtiger Teenie geworden (Gründung 1998 von Larry Page und Sergey Brin), kann Google inzwischen viel viel mehr. Als eine der wertvollsten Marken der Welt hat Google inzwischen neben der Text-, Bild-, Video-, News- und Kartensuche auch YouTube aufgekauft und bietet weitere Dienste wie Google Earth (man kann sich das Great Barrier Reef unter Wasser angucken!), Google Docs, Gmail, Picasa (Bildbearbeitungsprogramm), Google+ (eigenes Social Media Network), Google Drive, Google Places (die Konkurrenz zu Tripadvisor) und Google Chrome (eigener Browser) an.
Hinzu kommt der riesige Smartphone-Markt, den sie mit dem Start von Android unsicher gemacht haben. Womit sie richtig viel Kohle abstauben, ist wohl aber ihr Werbekonzept für ihre Suchmaschine, bekannt als AdWords und AdSense. Weiterhin ziemlich beeindruckend: Google Art Project – der wohl günstigste virtuelle Rundgang durch internationale Museen und das Google Self-Driving Car, das einmal die Autowelt revolutionieren könnte.
Das sind nur einige von vielen Beispielen. Google will hoch hinaus: So haben sie 2014 Deep Mind übernommen, einen Spezialisten für Künstliche Intelligenz; Nest Labs, einen Thermostat- und Feuermelderhersteller; Titan Aerospace, einen Spezialdrohnenhersteller mit satellitentypischen Funktionen und Skybox Imaging, ein Raumfahrtunternehmen spezialisiert auf hochauflösende Satellitenfotografie
– Fun Fact: Es gibt 313 Millionen Aktien von Google; die fast immer einen Kurs von über 500 Euro haben. – Farbe der Leihfarräder für Mitarbeiter: alle Google-Farben von gelb, rot, grün, blau – wir konnten sogar damit rumcruisen!
– Nutzbare Services auf dem Gelände: Android-Park mit allen Figürchen, ob erfunden oder frühere Entwicklungsphase
– Rausschmiss-Schnelligkeit: medium. Alles, was Türen hatte, blieb auch für uns geschlossen. Toiletten waren nicht zu entdecken. Aber das Gelände war einen Besuch wert!
– Happy Face-Index der Mitarbeiter: 5 von 5 Sternen.
– Sichtbare Sporteinrichtung für Mitarbeiter: ein Volleyballfeld
– Eigener Store: genau einen Tag vor unserer Ankunft geschlossen worden und woanders hingezogen.
– Gesamteindruck: ziemlich entspannt und freundlich.
Ein Spaziergang über das ziemlich offene und weit verteilte Gelände war super möglich. Alle Mitarbeiter hatten gerade Mittagszeit und saßen draußen. Ziemlich relaxte Atmosphäre, bunte Google-Schirmchen und lächelnde Leute. Natürlich war kein weiterer Zugang möglich. Nicht mal in die Kantine, die übrigens mega leckeres, gesundes Essen im Angebot hatte.
– Wermutstropfen: Das Visitor Center beta ist nur – das ist wirklich unglaublich! – nur für Besucher der Mitarbeiter zu sein! Wie doof ist das denn?! Warum bitte nennt man es denn Visitor Center? Na, wenigstens war der „Türsteher“ nett.
– Was Cooles entdeckt: Gerade als wir auf die Google Road biegen wollten, ist genau vor uns eines von Googles berühmten Self-Driving Cars gefahren. Hat brav fahrerlos bei Rot gehalten. Das Testen scheint sich auszuzahlen. Uuuuuund, wir haben doch tatsächlich auf einem Schild gelesen „Google Department for World Peace“ – und darunter gleich das „Google Wellness Center“. Läuft bei Mitarbeitern, würden wir sagen. 🙂
– Filmchen über Google: „Inside Google’s Offices“ oder „Die geheime Macht von Google
– Kurzeinführung zur Firma: Das größte, soziale Netzwerk. Oft kopiert – wie etwa durch StudiVZ – und doch immer gewonnen. Gibt’s seit 2004 und hat inzwischen 1,44 Mrd. monatlich aktive Nutzer in 84 Sprachen. Das „Gesichtsbuch“ – etwas freier übersetzt das „Jahrbuch“ wurde von Mark Zuckerberg und drei weiteren Mitgliedern gegründet (Kontroverse dazu gibt’s im Filmtipp).
In Deutschland ist es neben Google die am häufigsten geklickte Webseite. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen Deutschlands riet 2010 aufgrund mangelnder Datenschutzbestimmungen von der Nutzung des Angebots ab
– Größte Shoppingerlebnisse der Firma: 1 Milliarde USD für Instagram, einer Fototeil-App mit damals 13 Angestellten und null Einnahmen, 22 Mill USD für WhatsApp, einem Text- und Sprachnachrichtendienst
– Fun Facts: Täglich gibt’s über 600.000 Hacker-Angriffe auf Facebook-Accounts. / Man kann unter Spracheinstellungen auf FB „Pirat“ auswählen. / Der Normalo-User verbringt täglich 40 min auf FB. / Al Pacino war das erste „Gesicht“ auf facebook. / Smartphone-Nutzer checken FB 14x täglich. / Mehrere Personen wurden dafür ermordet, jemanden auf FB „entfreundet“ zu haben (herrje, ob das wahr ist?) / FB tracked die Seiten, die wir besuchen auch nach unserem FB-Logout. / FB ist mehrheitlich blau, weil Mark Zuckerberg eine Rot-Grün-Sehschwäche hat. / Es gibt ca. 30 Mio. tote Leute auf FB. / FB, Twitter und die New York Times sind in China seit 2009 blockiert. / Man kann Mark Zuckerberg auf FB nicht blockieren. / Gründer Zuckerberg spendete 2013 eine Milliarde US-Dollar an eine Charity, was ihn bis dato zum größten Spender der USA macht. / Der „Like“-Button sollte ursprünglich „Awesome“ heißen. / Die Woche vor Weihnachten hat nach FB-Datenanalysen die höchste Schlussmachquote des Jahres. / 2005 verneinte MySpace Zuckerbergs Forderung von 75 Mio. USD als Kaufpreis für facebook. War MySpace schlichtweg zu teuer. Tja, dumm gelaufen, wa? / Zuckerberg verdient einen US-Dollar Jahresgehalt als Chef.
– Farbe der Leihfarräder für Mitarbeiter: babyblau. Und die Mitarbeiter haben sie wirklich fleißig genutzt, sahen alle aus wie kleine Zuckerbergs und ihr einziges Accessoire im Körbchen war ein… Trommelwirbel… MacBook!
– Nutzbare Services auf dem Gelände: Bis auf den lahmen übergroßen FB-Likebutton – null. Wir sind frecherweise in die Besucherlobby hineingegangen, weil wir pullern mussten (Mega-Erlebnis: Binden– und Tampons-Spender, Deo, Desinfektionszeug, echte Handtücher) und wurden gleich darauf hingewiesen, dass wir ohne Termin auch nicht die Einrichtung nutzen dürften… also schneller wieder draußen als erhofft. Dabei gab’s Süßkram in der Lobby! Konnten leider kein Foto machen. Wäre eh nicht erlaubt gewesen.
– Rausschmiss-Schnelligkeit: hoch. Wir wurden schon nach wenigen Metern auf dem Parkplatz-Gelände von einem mobilen Securitymenschen angesprochen, ob wir die Facebook Policies kennen würden. Wir dachten, der Typ wolle uns veräppeln und wir wollten ihm schon entgegnen, dass das quasi unmöglich sei, so oft wie Facebook seine Datenschutzbestimmungen ändert… aber wir haben dann doch nur brav-naiv „nee, welche denn?“ entgegnet. Und er meinte „ihr dürft ohne Termin nicht mal aufs Gelände; und auch nicht den Parkplatz nutzen, nur den like-Finger könnt ihr machen“. Pff.
Die Ironie ist fast schon überkomisch, denn gerade einem Unternehmen, dass uns jegliche Privatsphäre untersagt und alle unsere Daten sammelt, ist seine Privatsphäre heilig und unantastbar. Grandioser Rausschmiss nach 5 Minuten.
– Happy Face-Index der Mitarbeiter: Hm… mussten so schnell wieder gehen, dass wir das nicht so mitbekommen haben. Das ganze Gelände wirkte aber ziemlich trist und steif für ein Social-Media-Unternehmen. Unter happy verstehen wir was anderes. Hoffentlich läuft’s innen besser für die Angestellten.
– Sichtbare Sporteinrichtung für Mitarbeiter: nix gesehen.
– Eigener Store: nein. Boah, dabei würde jeder Zweite bestimmt einen Merchandise-Artikel kaufen. Allein ein Like oder Dislike-Button für den Kühlschrank oder so?
– Gesamteindruck: fad. Do not repeat.
– Wermutstropfen: Äh, so ziemlich alles?!!
– Was Cooles entdeckt: Den Catering-Service von Facebook. Wir konnten nur ein Foto von einem der Street Food Trucks schießen, aber der Duft war herrlich!
– Filmchen über facebook: Am bekanntesten ist wohl „The Social Network“ mit Jessie Eisenberg. Dann gäbe es da noch „Inside Facebook – Das Milliardengeschäft mit der Freundschaft“ von SpiegelTV.
APPLE
– Kurzeinführung zur Firma: Gegründet im Jahr 1976, u.a. von Tech-Guru Steve Jobs, ist Apple seit ein führender Hersteller von Computern, Smartphones, Betriebssystemen und Anwendungssoftware. Der Hype um Apfelprodukte ist enorm, da muss jetzt keiner ins Apple- oder Microsoft-Bashing verfallen. Die Lager sind und bleiben gespalten (Maikes und Lenas Verhältnis zu iTunes ist gespalten – bei Interesse melden. Dann werden wir gerne ausufernd).
Der Unternehmensriese beschäftigt 92.600 Mitarbeiter und gilt seit Jahren als wertvollste Marke der Welt, die in den Top 15 der umsatzstärksten Firmen agiert. Die „cash cows“ unter den Hardware-Produkten sind so ziemlich alles: iPod (DAS Must-Have damals auf dem MP3-Playermarkt!), alle iOS-Geräte von MacBook bis iPhone und jetzt die Apple Watch. Was aus der Spotify-Kampfansage Apple Music wird, bleibt abzuwarten.
– Fun Fact: Apple heißt „Apple“, weil den Gründern Jobs und Wozniak einfach nichts besseres eingefallen ist. Sie waren mit der Unternehmensanmeldung drei Monate im Verzug und Jobs drohte das Unternehmen als „Apple Computer“ anzumelden, wenn ihnen nicht bald was Kreativeres einfallen würde. Jobs hat zu der Zeit mal wieder eine Obstdiät mit na… klar, Äpfeln gemacht. True story. Uuuund: Wer mal Forest Gump schaut und bis kurz vors Filmende gelangt, findet einen lustigen Apple-Aktienverweis. Mehr wird nicht verraten. 🙂
– Farbe der Leihfarräder für Mitarbeiter: stylishes, wenn auch langweiliges Silber
– Nutzbare Services auf dem Gelände: ansonsten alles abgeriegelt… aber wenigstens waren die Toiletten von außen zu erreichen. Die waren OK (großes Tampon mit Applikator-Angebot)
– Rausschmiss-Schnelligkeit: hoch. Nach dem Eintritt in die Lobby kam sofort die Frage, ob man einen Termin hätte. Darauf folgte gleich der ziemlich unfreundliche Weg zur Tür.
– Happy Face-Index der Mitarbeiter: Also ehrlich… da dachten wir uns, Apple sei der Ritterschlag eines jeden Tech-Nerds und dann nur so busy Business-Gesichter. Nach Spaß sah das da nicht aus… ein Punkt jedoch für die Firma, in der die meisten Mitarbeiter lustige Apple-Shirts tragen, die man mit Sicherheit nirgends im Merchandise-Store erwerben kann.
– Sichtbare Sporteinrichtung für Mitarbeiter: konnten nur einen Basketball-Platz für Mitarbeiter entdecken; der war auch gut besucht
– Eigener Store: Genau als wir da waren, gerade im Umbau. Wie schon bei Google. Das Einzige, worauf man sich bei einem Besuch hätte ansatzweise freuen können.
– Gesamteindruck: fad. Do not repeat.
– Wermutstropfen: Äh, so ziemlich alles?!!
– Was Cooles entdeckt: Bei der Suche nach einem Parkplatz kann man seine Karre vom Parkboy einparken lassen und sich in erster, zweiter, dritter Reihe irgendwo hinstellen und noch dazu die heißesten Schlitten auf dem Markt bewundern (das Gehalt scheint wohl OK zu sein, räusper) und wir konnten unsere Kennzeichen-Sammlung um weitere Staaten ergänzen. Denn hier arbeitet die Creme de la Creme der Soft- und Hardware-Szene!
– Filmchen über Apple: Ashton Kutcher macht im „Jobs“-Film eine erstaunlich gute Figur, obwohl der ja bekanntlich ein cholerischer Drache gewesen sein muss; gestorbener Visionär hin oder her.
Fazit:
Es gibt wenig zu sehen, aber selbst für Nerds wäre der gebotene Stoff einfach viel zu dürftig. Wenn, dann lohnt es sich, die Tour mit der Stanford University zu verbinden. Ansonsten: flop!
Nützliches:
– Ein paar Touristenabstriche macht das Internet zum Thema dann doch; etwa „A visitor’s guide to Silicon Valley“ von Steveblank.com
– Eine weitere, schlaue Liste mit möglichen Techfirmen und Adressen findet ihr im Business Insider – 14 Sights You Must See In Silicon Valley (u.a. IBM, die HP Garage – angeblich der Geburtsort des Silicon Valley)
– Die einzige Firma, die offen touristenfreundlich ist, ist Intel. Es gibt ein gratis Intel-Museum.
– Wem dieser Artikel zu „nett“ in Bezug auf die portraitierten Firmen ist, dem empfehlen wir ein Blick auf Wikipedia. Alle Kontroversen der Firmen sind dort aufgelistet. Alles aufzuzählen, hätte den Rahmen dieses Beitrags jedoch gesprengt.
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