Nach unserem Roadtrip-Traumstart auf Vancouver Island, was klein klingt, aber in Wahrheit ein Riesengebiet ist, sind wir nach sechs Tagen wieder mit der Fähre runter von der Insel und hinein ins „echte“ Fahrabenteuer immer gen Norden!
Mit der „Bibel“ ausgestattet (DEM Planer für Alaskatouren: der Milepost – fast so dick und schwer wie die gelben Seiten, aber listet bis auf den Grashalm genau jeden Meter auf) sind wir also von Tsawwassen los und haben die ersten beide Ziele auf der Route angesteuert, Squamish und Whistler. Letzterer ist bekannt als eines der besten Skiresorts der Welt und spätestens seit den Olympischen Winterspielen 2010 auf ewig ein Publikumsmagnet.
Aber eines nach dem anderen… Mit viel guter Musik in den Boxen dank der Spotify Offline-Playlists (fragt uns – wir haben endlose Empfehlungen für Roadtrip-Musik je nach Wetterlage und Landschaftsausblick) sind wir gemütlich losgetuckert und haben bei jedem Wasserfall angehalten, der uns unterwegs begegnet ist.
Angefangen mit den Shannon Falls, die versteckt, aber leicht erreichbar, in gleichnamigen Provincal Park gelegen sind. Gerade mal 58km nördlich von Vancouver sind die Shannon Falls mit 335 Metern die dritthöchsten Wasserfälle British Columbias. Es gibt zwei Aussichtsplattformen, die nur 400m vom Parkplatz entfernt sind – also sehr asiatenfreundlich konzipiert (Prinzip: raus aus den Bus; zehn Meter laufen; 100 Fotos; nicht mal die Infotafel ansehen; zurück in den Bus und weiter geht’s).
Wieder zurück vom Miniausflug sind wir weiter nach Squamish, dem Geheimtipp für Outdoor Aktivitäten (so zumindest beschrieb es die Broschüre der Touri-Info). Der Name kommt von einem Indianerstamm, der noch vor Ankunft der ersten Europäer dort lebte. Heute kann man in Squamish so ziemlich alles anstellen, was man will, nur scheint es auf den ersten Blick nicht so zu wirken. Die Broschüre hat unsere Erwartungen einfach zu hoch geschraubt und man muss sich einfach Zeit lassen und das Städtchen auf sich wirken lassen. Nach einer Stunde haben wir uns immer mehr mit dem Ort angefreundet.
Kleines Repertoire an unnützem Wissen: Squamish war Drehort für die Serie „Men in Trees“ (mit Anne Heche in der Hauptrolle), Insomnia – Schlaflos und die Free Willy-Szene, wo Jesse mit seinem Fahrrad auf die Bucht zudüst.
Der Stawamus Chief, das große Granitmassiv, das ihr auf einem der Fotos in der Galerie seht, ist ein Bergsteiger-Favorit (bei sage und schreibe 300 Kletterrouten auch kein Wunder!). Wer Lust auf viel Schwitzen hat, dem seien die steilen Wanderpfade zu den drei Gipfeln empfohlen. Viel Adrenalin, Matsch-Modder und schnelle Abfahrten bietet der „Test Of Metal“, ein Cross Country Mountain Bike Rennen, das über 67 km führt und einmal im Jahr Ende Juni stattfindet. Wer uns kennt, weiß aber: Mountainbiking und Bergklettern sind jetzt eher nicht so unsere Steckenpferde. Rafting auf dem Elaho leider auch nicht… Und eigentlich hatte eh schon alles geschlossen. Hm… na gut, dann eben einen Wanderweg-Quickie: den Oceanview Trail. Nur entpuppte sich der als wenig schöne, überbewertete Schotterpiste mit etwas Ausblick zwischen dem Industriegebiet. Najaaaa… solala.
Auf dem Rückweg zeigte sich das Städtchen dann aber noch von seiner süßen, community-bewussten Seite. Wir schwören, wir haben noch nie einen so exklusiv gepflegten, gemüse- und kräuterreichen Gemeinschaftsgarten gesehen! Und keiner klaut sich einen Salatkopf? Wirklich irre. Wir haben uns etwas Basilikum als Gourmetzutat für unseren Zeltklassiker… tatattataaaa… Nudeln mit Soße stibitzt. Ich hoffe, die Gärtnergemeinschaft verzeiht’s uns. Noch fix etwas Obst und Gemüse im Supermarkt geholt (yeah, eine neue Clubkarte – diesmal „Save on Foods“ – wenn man die nicht hat, sind die Preise teilweise doppelt so teuer… Daten sind Macht) und weiter zum Alice Lake, unserem Zeltplatz für die Nacht.
Für 23 Dollar kein Schnäppchen, aber wir haben die Nudeln ausgelassen und stattdessen lecker Eintopf gemacht, dabei Whiskey getrunken und der Parkrangerin Holz für ein Lagerfeuer abgekauft. Besser ging’s einfach nicht. Die Bären- und Berglöwen-Situation war uns zwar immer noch nicht geheuer, aber was soll’s. [Tipp: Nicht die Klamotten ins Zelt nehmen, in denen man gekocht hat – lockt die Tiere nur an. Alles im Auto verstauen, was auch nur entfernt als lecker angesehen werden könnte.] Und DER Luxus schlechthin: Es gab endlich Toiletten mit einer Spülung und heiße Duschen, das wichtigste Kriterium der ganzen Reise wie sich herausstellen sollte.
Am nächsten Morgen also ausgiebig geduscht und dann nochmal 10km zurück zum Canadian Tire gefahren, DER Baumarkt-Institution Kanadas. Gerüchte besagen, dass 90% der Kanadier nur 15 Minuten von einen Canadian Tire entfernt wohnen. 🙂 Was als Autoschrauberbude anfing, hat sich zum Baumarktriesen entwickelt.
Hier noch mehr Fun Facts:
– Würde man alle jährlich verkauften Snowboards flach aufeinander stapeln, wären sie so hoch wie ein 100-stöckiges Gebäude.
– Zwei von drei kanadischen Männern lesen den wöchentlichen Flyer von Canadian Tire.
– Jeder fünfte Haushalt besitzt eine Canadian Tire Kreditkarte.
Mit Wärmflasche und Kuscheldecke ausgestattet (was man eben so im Baumarkt als echter Kerl holt, wa?), weil Frauchen so friert im Zelt, sind wir weiter zu Wasserfall Nummer 2, den Brandywine Falls. Die sind zwar nur 70m hoch, sehen aber spektakulär aus. Der Blick auf den Daisy Lake ist dazu noch einmal mehr wow…
Und natürlich darf auch das Hipster-Bahngleis-Bild nicht fehlen; Björn hat sich so ins Zeug gelegt, eine gute Show abzuliefern! Die einzige, meeega authentische Dame (danke Lena für den witzigen Instagram-Tipp!), die Bahngleisfotografie perfektioniert hat, ist SocialityBarbie auf diesen Bildern hier und hier. Wie sehr Barbie ihren authentischen Kaffeehaus-Szenen-Herschel-Rucksack-und-hippe-Brille-tragenden Pacific-Northwest-Lifystyle auslebt und dabei schlaue Sprüche klopft, seht ihr hier zu eurem maximalen Genuss – Ja, so sehen die in Kalifornien, mehr noch in Oregon und Washington und Teilen Vancouvers alle aus! Witzig!
Nach unserem labbrigen Toast-Frühstück wieder leicht angehungert, sind wir dann ein paar Kilometer südlich vom Ortseingangsschild in Whistler an der Funtion Junction abgebogen (mal ein wirklich nennenswerter Lonely Planet-Tipp!) und haben uns das späte Frühstück unseres Lebens im Wildwood Café & Restaurant gegönnt: Käseomelett, darunter ein Berg Bratkartoffeln und gebuttertes Cranberry-Weißbrot und einen Angus Beef-Burger mit Nudelsalat. Epische Portionen und Kaffee zum gratis Nachfüllen – wir sind aus dem Laden gerollt! Die stehen hier extrem auf „Eggs Benedict“, ein Frühstücksgericht aus pochierten Eiern auf Röstbrot oder halbierten englischen Muffins mit einer Scheibe angebratenen gekochten Schinkens oder Frühstücksspecks und Sauce Hollandaise. Wer’s mag, kann’s hier bestellen. Lohnt sich. Alle anderen Tische haben fast nur das bestellt.
Mit dieser deftigen Portion im Bauch haben wir dann Whistler unsicher gemacht – eines der renommiertesten Skigebiete der nördlichen Hemisphäre und im Oktober noch völlig schneefrei bis auf ein paar Bergzipfel. Wir sollten rund einen Monat später noch einmal herkommen und bereits den ersten Schnee erleben – aber von Aprés Ski-Feeling noch keine Spur. Benannt ist Whistler nach den beiden Bergen Whistler Mountain und Blackcomb Peak. Letzterer (Whistler-Blackcomb) ist das größte Skigebiet in ganz Nordamerika. Wenn dann doch mal Sommer ist, wird das Ganze kurzerhand zum größten Bikepark der Welt umfunktioniert. Und davon konnten wir bei unserem ersten Besuch noch ein paar letzte Ausläufer erleben: nämlich richtige dreckige, schlammverspritzte Mountainbiker, die die Abfahrten heruntersausen.
Wir fanden das Dörfchen das erste Mal total schick, denn es war vom Herbst schön bunt gefärbt, die Leute gut gelaunt (logo, das Whistler Bierfest startete just an unserem Besuchstag) und überall gab es viele touristenfreundliche Shops mit allerlei Souvenir-Krimskrams. Also eine Stadt, die nicht wehtut, aufler vielleicht dem Geldbeutel. Bei unserem zweiten Besuch war vom Flair der ersten Begegnung jedoch nur wenig übrig. Dieses Mal hatten wir uns ein paar Wanderrouten verschrieben und auch sonst war Totenstille im Örtchen (wohl weil’s unter der Woche war?!)…
Nun ja, wir waren schließlich immer noch auf unserem Roadtrip, also weiter Richtung Norden. Aber erst einmal wieder Pläuschen bei einem der zahlreichen pittoresken Seen (siehe Steg-Bilder), dem One Mile Lake. überhaupt ging die Fahrt vorbei an lauter – verzeiht den Ausdruck – geiler Seen und Gebirge, u.a. dem Seton Lake an Marble Canyon, der unser Übernachtungsort werden sollte. Idyllischer kann ein Zeltplatz wohl kaum sein. Für $18 gibt’s einen Zeltplatz mit Seeblick, ohne Schnickschnack mit Plumpsklos und Wasserpumpe. Aber gemütlich klein und erstaunlich gut gefüllt, denn weit und breit war es die letzte Möglichkeit irgendwo einzukehren. Nach unserem Deluxe-Ratet mal-Abendbrot (Nudeln mit Sofle – check!) und dem inzwischen routinierten Zeltaufbau + Isomatten-aufblasen-Schlafsack-ausrollen-Schlafklamotten-sortieren-Prozedere sind wir dann auf dem Weg zur Wasserpumpe (ja, das Geschirr wird auch bei Eiseskälte nachts mit Kopflampe gespült) an einem der groflen Canadream-Camper vorbeigehuscht, wo wir uns auf dem Weg nochmal die Anwesenheit der Pumpe am anderen Ende versicherten. Und da sprach der eine Typ zum anderen in einer Sprache, die irgendwann mal hätte Deutsch sein können… und schwupps, waren’s zwei coole Schweizer Brüder mit einer Menge Resturlaub und groflem Kanada-Faible! Ein paar Minuten und sauberes Geschirr später saflen wir mit Marc und Dominik am Lagerfeuer (was so viel besser brannte als unseres) und teilten Chips, Wein und Bier und ein paar Lebensgeschichten bei sternklarer Nacht. Ein super Abend trotz frostiger Temperaturen, wo selbst die Wärmflasche nachts im Zelt nicht mehr die Füße wärmen konnte.
Der Luxus ging am nächsten Morgen bei den Jungs weiter: Campingstyle Pancakes mit Ahornsirup und heißer Kaffee… und das alles so viel flotter als mit unserem lütten Gaskocher. 🙂 Ach, und das Wetter hat mal wieder super mitgespielt: Welch ein Ausblick auf den „Marmor“-Canyon zwischen den Limestone Cliffs und dann die drei Seen drumherum (Turquoise, Crown & Pavilion Lake – wer’s genau wissen will)! Ein fantastischer Start in einen neuen Tag also, der uns die letzten Kilometer bis nach Cache Creek brachte, wo der Highway endete und zum Goldrush Trail wurde, über den wir euch natürlich auch berichten wollen! Denn in der Westernstadt Barkerville hatte uns Billy Barker noch allerhand über sein Leben zu erzählen!