Es ist soweit: Der erste Punkt auf unserer Tour geht los! Nach einem Tag unterwegs in drei Flugzeugen quer um den halben Globus sind wir 13:30 Uhr bei den Arrivals am Airport Arturo Merino Benitez herausgekommen. Dort stand – überpünktlich und wie geplant – unsere Freundin Corinna, die uns mit einem selbstgebasteltem Schild die Ankunft versüßt hat.
Corinna ist schon echter Profi im Südamerika bereisen und hat seit gerade mal vier Monaten schon Brasilien, Peru, Argentinien, Bolivien, Uruguay und Chile erkundet. Und dementsprechend fantastisch ist ihr Spanisch. Wir sind mehr als dankbar, dass sie uns nach einem Temperaturwechsel von 10° auf 33° und Matsche-Flugzeug-Körper den Einstieg so erleichtert. So brauchen wir uns um die erste Zeit nicht ein bisschen zu sorgen, denn Corinna hat unsere Route fest im Griff und lässt uns viel Zeit für die Eingewöhnung. Die ersten Nächte können wir sogar bei ihrem entfernten Cousin Mauricio in seinem brandneu gemieteten Apartment übernachten. Noch ohne Möbel auf der Isomatte und im Schlafsack, der selbst bei den kühlen Temperaturen abends immer noch zu warm ist. Im 20. Stock eines Hochhauses. Denn Chile ist gezeichnet vom Wolkenkratzer-Panorama.
Wenig entspannend, wenn man an Urlaub, Weite, Stille denkt… die Atacama-Wüste und Patagonien im Hintergrund. Und doch hat die Stadt ihre Reize, wie wir in den folgenden Tagen feststellen konnten. Man muss nur ein bisschen suchen.
Bisherige Eindrücke, Erlebnisse und erste Highlights:
- Uff. Die Währung. Für einen Euro gibt’s ca. 750 chilenische Pesos. Da heißt es umdenken. Und einiges an Kopfrechnen. Heute haben wir erfahren, dass ein normales Gehalt von 300.000 Pesos im Monat völlig normaler Standard ist. Das sind gerade einmal rund 400€. Davon müssen die Leute dann die satten Lebensmittelpreise (ungefähr deutsches Preisniveau), Miete, Nebenkosten, öffentlichen Nahverkehr, und und und bezahlen. Wahnsinn!
- Doppel-Uff. Die Wärme. Es ist Hochsommer! Eigentlich fantastisch. Nur regnet es hier maximal 6 bis 8 Mal im Jahr. Und das war’s. Also trockene, staubige Hitze. Wenn man aus dem nassgrauen Berlin kommt, ein echte Herausforderung. Zwischen 14-17 Uhr ist es besonders heiß. Wir hangeln uns also von Schattenplätzchen zu Schattenplätzchen. Und die Metro ist immer knackevoll und stickig. So isses eben. Alltag für die Chilenos.
- Dreifach-Uff. Die Lautstärke. Hier ist es – zumindest in den bekannten, innerstädtischen barrios (Vierteln) irre laut. Es hupt, quietscht, röhrt und rattert eigentlich rund um die Uhr. Die Ohropax sind also ein Segen. Die Lautstärke potenziert sich nämlich im 20. Stock nochmal fein.
So, nun aber genug Kulturschock-Gedöns. Widmen wir uns den tollen Entdeckungen:
Top 10 in Santiago (in 4 Tagen – Reihenfolge egal)
- Cerro Santa Lucia: Eine Oase im Großstadt-Gewirr. Ein schön bepflanzter Parkhügel mit Bombenaussicht auf die Stadt! Auch, wenn uns die eigentlich paar Treppchen doch wirklich zu schaffen gemacht haben am ersten Tag auf dem neuen Kontinent, lohnt ein Aufstieg. Man kann den Chilenen bei der Mittagspause, den Kiddies beim Wasser-Spaß und den Vögeln beim Zwitschern zusehen.
Gratis – Eingänge Ecke Alameda & Santa Lucia, Ecke Santa Lucia & Subercaseaux, ca. 9-20 Uhr, Metro Santa Lucia - La Vega Central: Was für Düfte, was für Geschmackserlebnisse einen hier erwarten! Eigentlich steht man den Händeln permanent im Weg, weil sie sich in den schmalen Gängen mit ihren Gemüse- und Obstkarren vorbeidrängen. Ein Kilo Himbeeren für umgerechnet weniger als 2€! Wir haben uns die kompletten Zutaten für einen chilenischen ensalada gegönnt: Einen Batzen Gemüse (Tomaten in allen Formen und Zwiebeln so groß wie Hände) und viel paltas (südamerikanisch für Avocados). Und dann noch ein Kilo Erdbeeren, den Inbegriff des Sommers, und chilenische helle Trauben – beides auch echte Schnäppchen. Hat uns umgehauen. Gleich in der Nähe gibt’s noch eine Blumenmarkthalle und den Mercado Central, der eher eine Restaurantmeile als ein Markt ist. Sehr fischlastig, ein bisschen gehobener als das Streetfood und die Bistros im Mercado Central.
Ecke Nueva Rengifo & López de Bello, Mo-Sa 6-18 Uhr, So 6-15 Uhr - „Mote con huesillo“: Ob ihr‘s glaubt oder nicht, diese Mischung aus Getränk und Snack ist importwürdig! Dieser chilenische Sommerdrink ist ein Kracher: Stellt euch vor, ihr kocht getrocknete Pfirsiche in Wasser, Zucker und Zimt bis daraus ein Nektar entsteht, lasst ihn abkühlen und mischt ihn dann mit Graupen. Und garniert mit getrockneten Aprikosen. Und das alles richtig gut gekühlt. Soooo lecker!
- Die Barrios Brasil und Yungas: Schön verschlafen an einem Sonntag sind wir die beiden Viertel abgelaufen und haben uns von den filmkulissenartigen Erscheinungsbild treiben lassen. Die Street Art ist fantastisch und ganz anders bei uns in Berlin – wie üblich auf dem lateinamerikanischen Kontinent ist hier alles viel farbenfroher. Und die Graffitis erinnern eher an Bildergeschichten als Statements. Im Yungaz-Viertel sind wir auch in einen Markt mit handgefertigten Produkten hineingestolpert. Wunderschön anzusehen mit vielen bunten Wimpelketten und freundlichen Gesichtern. Wenn wir den Namen herausgefunden haben, geben wir hier ein Update.
- Der Cementerio Central: Was für ein riesiger Friedhof! Wie eine eigene kleine Stadt. Hier kann man den Mamas bei der Grabpflege der Mausoleen zusehen und – sofern man es denn findet – das Grab von Salvador Allende besuchen. Auch die in der Pinochet-Diktaktur verschwundenen Menschen erfahren hier ihre letzte Ehre. Wir waren von Größe und Ruhe an diesem Ort beeindruckt. Ein Spaziergang lohnt sich.
Avendia Alberto Zanartu 951, Metro Cementerios, 8:30 – 18 Uhr geöffnet - Der joggende Ampelmännchen: Jedes Land hat so seine Eigenheiten, wenn es ums Straße überqueren geht. Wir lieben das chilenische Ampelmännchen. Bei Grün läuft er entspannt und ab 5-10 Sekunden vor Rot-Umschaltung beginnt er immer schneller zu laufen, sodass er am Ende schön mächtig rennen muss. Herrlich.
- Cerro San Cristóbal: Die größte, „leicht“ begehbare Erhebung auf den ersten Blick. Von oben überstrahlt die heilige Maria die Stadt. Mit der Seilbahn geht’s hoch hinaus auf den Hügel – oben wartet zwar etwas Touristenkitsch (sonst aber fast nirgends in ganz Santiago zu finden) und Süßwarenhändler, aber je höher man die Treppen steigt, desto näher kommt man der Maria und der fantastischen Aussicht. Lohnt sich bei Sonnenuntergang – auch wenn der um 20:00 Uhr – als wir da waren – immer noch auf sich warten ließ. Der Smog trübt bisweilen den Blick. Für die Atmosphäre oben mit den Familien, chilenischen Touris und den Scharen an Radfahrern, die den Hügel ohne Seilbahn bezwingen, lohnt sich der Besuch. Abends sind auch die Temperaturen wieder angenehm.
Funny Story: Holt euch den Parkplan und/oder fragt an der Seilbahn gleich nach, wo genau der Abstieg nachher ist. Wenn ihr den Weg nämlich wieder zurücklaufen wollt, gibt es einige Tücken. Wir sind die Radroute zurückgelaufen und nach über einer Stunde laufen in einem komplett anderen Viertel herausgekommen als – wie üblich geplant – im Barrio Bellavista. - Quinta Normal Park: Hier geht der Chilene, der’s nicht zum Meer schafft, hin, um mit Komplettausstattung zu picknicken. Ein echt schöner Park mit Historischem Museum, Theater, Filmmuseum und Tretbootverleih. Die duftenden Honigpalmen haben es uns angetan. Die Chilenen lieben ihre Parkanlagen.
- Barrio Bellavista: Wir müssen wohl eingestehen, dass auch Santiago sein Friedrichshain/Kreuzberg-Ausgehviertel mit Partymeile hat. Hier geht die carrete (Party) ab. Wem’s gefällt, findet hier sein Party-Kneipen-Eldorado. Schön anzusehen, wie immer farbenfroh und voller Graffitis. Für uns ein bisschen zu viel Boom Boom. Könnte aber auch an unserem langen Cerra San Christóbal-Abstieg gelegen haben. Wir waren ausgehungert und haben uns in einen Rockschuppen begeben. Essen bestand aus ensalada (Kopfsalat, eine Tomatenscheibe, Zitrone… aha!), einem Berg Pommes und lauwarmen pollo (Hühnchen). Ging so. Kann einem aber auch zu Hause passieren. 🙂
- Die Früchte des Südens, wie etwa Chirimoya und Lucoma: OK, noch nicht unverarbeitet getestet, aber schon in Joghurt, Milchdrink und Eis sehr lecker. J Wir geben ein Update, wenn wir im Supermarkt darüber stolpern.
Und zum Schluss noch Kurioses:
- Klopapier auf öffentlichen Toiletten ist teilweise unüblich: Entweder jeder hat seine eigene Rolle immer praktisch in der Handtasche dabei oder Pustekuchen. Was haben wir gestaunt! Die besseren Öffi-Banos haben eine Art zentralen Klopapier-Spender, wo man sich ungefähr so viel abmacht wie man braucht.
- Streunende Hunde, wohin man blickt: Björns Herz wird schwach bei jedem dünnen und dicken Streuner, der uns begegnet. Wir haben schon so viele Fotos von Hunden in den paar Tagen geschossen. Es könnte ein Chilenisches Hundealbum werden.
- Viele Angestellte überall: So schafft man auch eine gute Arbeitslosenquote. Einfach in jeden Laden zig Securities stellen, ganz viele Hotel- oder Ladenangestellte. Und fertig ist die Vollbeschäftigung. Allein im Supermarkt gibt es zig Angestellte für das Abwiegen von Obst, Gemüse und Backwaren. Irre.
- Halb Chile ist tätowiert: In den Metros ist hervorragend zu beobachten, dass sowohl Männlein als auch Weiblein ein Faible für die Nadel haben. Über Geschmack lässt sich ja wahrlich streiten… sie sind bunt, groß, oft mit Schriftzügen und gerne an Körperstellen, die auch ja gut zu sehen sind. 🙂
- Die Metro schließt früh: An einem normalen Party-Samstag kommt man abends wohl nur mit Taxi nach Hause. Denn die Metro macht oft schon zwischen 22 Uhr und 23:30 Uhr dicht. Boletos (Tickets) kaufen ist ab 22 Uhr unmöglich. Warum auch immer.
- Der Kaffeekontinent hat fast nur Krümelkaffee: Es ist uns ein Rätsel. Guten Kaffee gibt’s nur in Kaffees. Gut sortierte Supermärkte bieten auch Bohnenkaffee an… aber fragt nicht nach dem Preis. Der kommt übrigens meist aus Kolumbien.
- Busfahren in Chile ist ein Unikum: Nicht nur herrscht hier ein hektisches Angebot-Nachfrage-Spiel, wo man für die gleiche Strecke schon mal über 3000 CPS mehr oder weniger bezahlt; es gibt auch unzählige Anbieter. Das heißt, man fragt sich am besten bei mindestens drei Anbietern nach dem aktuellen Preis durch und bucht dann. Im Internet sind die Tickets wesentlich günstiger zu haben, aber man braucht die chilenische Steuer-ID, um überhaupt buchen zu können. So zahlen Touris meist mehr, es sei denn, sie kennen die Tricks und fragen chilenische Bekannte für sie zu buchen oder googeln sich eine Steuernummer. Die lokalen Busse kann man ohne eine bip!-Karte gar nicht nutzen. Die kostet 1200 Pesos und wird immer wieder aufgeladen. Auch Bands in Bussen sind nichts Untypisches. Mit komplettem Equipment rein uns los. Bei den Fernbussen macht der Fahrer zwischen Gästen und sich die Tür in der Kabine zu und unterwegs bieten Damen Nüsse und süße Leckerlis in Körben an.
- Hier dreht sich’s links herum: Durch die Erdanziehung spült das Toilettenwasser links herum und auch der Mond hat seine Sichel auf der anderen Seite.
Hier ist noch ein kleines Video von 5 Tagen in Santiago de Chile