Nach unserem sprichwörtlich holprigen Kolumbien-Start (Kamera-Klau im Nachtbus, verlorener Ehering) war unsere abenteuerliche Fahrt nach San Agustín (von Ipiales über Popayán / oje, die letzten 3 Stunden glichen einer Tortur für Wirbelsäule und Nerven!) dann doch wirklich die Mühe wert!

Wir hätten sicherlich die komplette, restliche Zeit an diesem außerordentlich schönen Fleckchen Erde verbringen können. San Agustín erscheint unspektakulär auf den ersten Blick, aber die Landschaften gleichen einem Kolumbien-Poesiealbum: sooo saftiges Grün, üppige Vegetation und unzählige, knallige Farben! Kein Wunder, dass Kolibris in diesem Blütenmeer allerhand zu tun haben! So viel leckerer Nektar! Der Hauptgrund für unser Geschwärme vom noch Regenzeit geplagten San Agustín ist wohl unsere Unterkunft im Casa de Nelly. Schaut euch auf Tripadvisor die Fotos an und ihr werdet verstehen, warum man hier so herrlich hängenbleiben kann!

Betrieben von einer Französin und geführt von Harrison, einem – ja, Lena und Maike sind sich hier einig – ziemlich attraktiven Kolumbianer, der – wie sollte es auch anders sein – fließend Deutsch mit uns sprechen konnte, weil er als Teenie nach Köln zu seiner Tante „zwangsausgewandert“ wurde (zu heikel war die politische Situation in Kolumbien damals). Eigentlich ist er gelernter Architekt und skateboardliebender Berufsjugendlicher mit 18-jähriger Tochter (die immer noch in Deutschland lebt). Seine erste Amtshandlung bei unserer Ankunft nach unserem Höllenritt mit maximalem Wertverlust (noch in arger Trauer wegen unserer ungewollten Handgepäckserleichterung… die gute Canon EOS 100D!) war frisch gebrauter kolumbianischer Kaffee aus der Region im Espressomaker! Wen’s interessiert: Sorte „La Chaquira“.

Yeah, der Tag konnte nur noch besser werden. Wurde er auch. Die Unterkunft im 3er-Dorm zum niedrigsten Spitzenpreis war der Hammer; der Gemeinschaftsraum und die gesamte Anlage ein Traum und die Dusche heiß, heiß, heiß! Zum nächsten Supermarkt war es nur ein schlammiger 15min Marsch und zum Abendessen gab es – wie so oft – unseren Backpacker-Klassiker „Quinoa an Gemüse“. Diesmal aufgepeppt mit Kolumbiens Nationalgetränk Aguadiente, einem anishaltigen klaren Schnaps.

Zurück im Städtchen sind uns die vielen, niedlichen Artesania-Läden aufgefallen (ja, die bunten, uns allen so bekannten, gewebten Armbändchen haben hier echte Hochkonjunktur!). Das Flair ist durchweg geschäftig, fröhlich, entspannt und lässig. Wo sonst reitet ein Fünfjähriger auf einem gefühlt riesigem Gaul mit Cowboy-Papi an seiner Seite mitten durch die Straßen? Hohe Tratschdichte dank Gemütlichkeit, schätzen wir. Viele Opis und Omis auf Bänken, überall Lädchen und ein Schwätzchen am Ladeneingang. Bei der großen Menschentraube auf dem Marktplatz wurden wir auf eine verboten süße Spezialität aufmerksam, von der wir erst später erfuhren, was es war (siehe Foto mit cremiger Masse um ein Stahlrohr geschlagen). Für umgerechnet spottbillige 15ct haben wir uns ein Näpfchen geholt, nachdem uns ALLE anwesenden Kolumbianer haben kosten lassen und liebevoll bestimmt auf uns einredeten wie toll das Zeug doch sei… den Namen haben wir natürlich vergessen. Die Zuckerbombe, die in ihrer ursprünglichen Form eine braune, klebrige Masse war, entpuppte sich als in Form geschlagene Gelatine. Getoppt mit Krokant. Wie so oft lobten wir unsere Sprachdefizite – sonst hätten wir es sicherlich überhaupt gar nicht erst probiert. Herrje.

Kulinarisches Highlight des Örtchens ist und bleibt jedoch das „Tomate“. Hat nur bis 15 Uhr geöffnet und an zwei Tagen in der Woche geschlossen. Für 8.000 COP gibt’s einen Genussreigen aus Vorspeise-Süppchen, frisch gepresstem Saft (wir hatten Guanábana) – hört in Deutschland auf den charmanten Namen „Sauersack“ – mit frisch zubereiteter Spaghetti mit zwei Soßenoptionen und Schwarzbrot-Marmeladen-Snack als Kostpröbchen. Der Besitzer ist ein deutscher Auswanderer und verkauft sein – this is the real sh#! – Vollkornbrot auch an Suchtis wie uns. Wen es dann noch süßelt, kann direkt gegenüber die Luxus-Törtchen vom französischen Auswanderer kosten (Eclairs und Sahnebömbchen mit Erdbeeren!).

OK, ihr wisst ja, über Essen könnten wir uns seitenweise auslassen… einen ersten Eindruck vom Ort, seinen Menschen und Leckerlis habt ihr nun. Kommen wir zum touristischen Highlight des ganzen Kontinents.

Die Grabmäler von San Agustín

Forscher und Archäologen wissen so gut wie nichts über das Völkchen, das seinen Toten zwischen dem 6. und 14. Jahrhundert n. Chr. derart huldigte, dass sie ihnen Statuen aus Vulkangestein meißelten und vors Grab hievten. Für die Entdecker muss es Ende des 18. Jh. ein imposanter Anblick gewesen sein, hunderte von jetzt freistehenden Statuen auszubuddeln. Alle sind entweder in Menschen- oder Tiergestalt und machen unterschiedliche Fratzen.

Als sei das schon nicht genug, wurden den toten Stammesältesten auch noch Töpfereien und Goldobjekte ins Grab gelegt… Viele davon sind jetzt in Bogota im „Museo del Oro“ (Goldmuseum) zu bestaunen. Die Mehrheit wurde jedoch gestohlen. Eine witzige Anekdote fanden wir beim Besuch des Parque Arqueológico, dass die Kolumbianer die Fratzenstatuen als Hausdeko, Pfeiler und Marktschmuck zweckentfremdet haben, als man sie erstmals entdeckte (Fotobeweise in der Galerie).

Heute findet man in der Gegend verstreut über 500 Statuen in Monsteroptik und verschiedenen Größen (20cm bis 7m!), die man alle mit einer Jeep-Tour erreichen kann, die wir aber nicht zwingend empfehlen. Denn der archäologische Park befindet sich in Laufnähe vom Casa de Nelly und das Geld ist anderswo besser investiert als in eine überteuerte 6-Stundentour im Bus ohne jegliche Lust seitens des Fahrers. Wer bis dato noch keine Wasserfälle gesehen hat, wird sich über den Salto de Bordones freuen. Wir waren eher böse, dass uns nicht gesagt wurde, dass fast jeder Stopp einen zwang, noch irgendwo etwas draufzuzahlen. Wir schenken dem überteuerten Chauffeur-Service gerne unser erspartes Geld und finanzieren in die Infrastruktur, die noch zu wünschen übrig lässt. Eieiei… Ein weiterer Teil der Tour ist El Estrecho, wo der Río Magdalena durch eine enge Stelle von nur 2m bis in die Karibik fließt. Dementsprechend laut und wassermassig ist der Spaß.

Wie gesagt: Uns hat der Ausflug zum 78ha großen Parque Arqueológico am meisten Spaß gemacht und die meisten Infos geliefert. Dank „Führerschein“-Universität durften wir nochmal Student sein und damit nur 10.000 COP anstatt 20.000 COP zahlen – super Tipp von Harrison. Mit unserem Pass konnten wir dann ins super aufbereitete Museum (Stempel inklusive) und in den toll angelegten Bosque de las Estatuas. Eine fantastische Aussicht über die Schluchten links und rechts vom Río Magdalena gibt’s gleich dazu.

Die Steinskulpturen waren Abbilder von Gottheiten, dem Teufel selbst, Männern in Trance oder Kreaturen, die die Mensch- und Tierwelt zusammenführen sollten. Die Steinmetzer haben auch die Mythen und Rituale aus ihrer Alltagswelt eingebunden. So etwa die Arbeit der Hebammen (siehe Titelbild). Auch Tiere wie Reptilien, Affen, Amphibien und Fische hatten eine große spirituelle Bedeutung für das San Agustín-Volk und wurden deshalb eingearbeitet (z.B. als Indikator für übernatürliche Kräfte und uralten Wissen der Ahnen). Entdecker war übrigens ein Deutscher namens Konrad Theodor Preuss, aber nach ihm folgten u.a. Luis Duque Gómez und Julio César Cubillos, die vor allem das Alltagsleben des Volkes studierten und herausfanden, das ein und dieselbe Kultur die Gegend über 2000 Jahre lang bevölkert haben muss. Bis heute weiß man jedoch nichts über die Herkunft und den wahren Namen des Volkes. Klar ist, dass die Kultur den Tod nur als Übergang in ein anderes Leben sah und die Gräbstatuen der lebenden Welt dazu dienten, diesen Übergang vor Eindringlingen zu beschützen.

Nun aber genug Steinfratzen-Schlaumeierwissen. Jetzt kommen Fotos!
(P.S.: Alle Aufnahmen, die wir von Kolumbien haben, stammen von Lenas Handy. Danke!)