Puerto Varas, das deutsche Kulturerbe und die Seenlandschaft
Wir haben’s getan: gezeltet in unserem „Johnny Müller“. Und er hat die zwei Nächte Regen halbwegs unbeschadet überstanden. Aber erst einmal mussten wir überhaupt einen Zeltplatz finden. Oder ein Hostel mit Garten. Denn nach unserer Hospedaje-Erfahrung in Valdivia, die sich als teurer entpuppte als gedacht, ist nun Sparen angesagt.
In Puerto Varas angekommen, angeblich dem zweiten „Pucón“, haben wir uns zugleich auf die Suche gemacht. Nach den ersten beiden Absagen haben wir das Gepäck bei einem Hostel gelassen, um erst einmal so fragend die nächsten Möglichkeiten abzulaufen. Eine gute Entscheidung. Und wir hatten tatsächlich Glück: Das „Ruca Hostel“ oben auf dem Hügel gelegen, hatte noch einen großen Garten mit freien Stellplätzen für uns. Und die erste Amtshandlung des Hostel-Jefe Jorge war uns ein lokales Bier namens – na, wer errät das kulturelle Erbe? – Cerveza Neumann zu spendieren. 🙂 Das gute Bierchen hatte sage und schreibe 10 Prozent und hat nett malzig geschmeckt. Mit ordentlich einem im Kahn (die letzte Mahlzeit war ein kleines Frühstück und inzwischen war es schon 17 Uhr) haben wir unser Johnny Müller aufgebaut und sind nochmal rein ins Stadtzentrum.
Puerto Varas – eine Stadt mit vielen Festen
(wie überall im chilenischen Sommer)
Nach einem eher mäßigen Empanada aus dem Supermarkt, den wir einem der vielen Straßenhunde fast gänzlich gesponsert haben, sind wir über das Café-Fest geschlendert, wo wir – ohne Quatsch – Bratwurst Alemán hätten essen können. Wir haben es aber bei einem Café Panna belassen; also einem Expresso-Shot mit Milchschaum und viel Sahne mit Schokosoße. Lecker, lecker, lecker!
Um die Ecke war – natürlich, was auch sonst – ein Bierfest und ein Clown hat den Kiddies am kleinen Plaza Luftballon-Tierchen gebastelt. Wieder ein bisschen Ferienort-Feeling, nur noch größer als Pucón und mit Blick auf einen anderen Vulkan, den und den See Llanquihue.
Die meisten kommen hierher für Stranderholung, Trekking, Rafting und den Lago Todos los Santos, den Allerheiligen-See. Wir waren fürs erste ganz schön geschafft und haben versucht früh schlafen zu gehen. Wären da nicht die argentinischen Mädchen aus dem Nachbarzelt, die auch im Indoor-Gemeinschaftsbereich ordentlich ihre Schmonzetten aufgedreht haben. Das kann noch spaßig werden, wenn wir erst einmal in Argentinien sind…
Die Saltos de Portohué und der Lago Todos Los Santos
Am zweiten Tag haben wir einen Minibus nach Portohué genommen (den man übrigens überall anhalten kann, um zuzusteigen). An den Wasserfällen mit kleinem Wanderweg sind wir dann ausgestiegen, etwa 12km vom Örtchen Portohué entfernt.
Wenn man reißende Wasserfälle erwartet, wird hier enttäuscht. Hier stürzt das Gletscherwasser eher Vulkangestein herunter, aber das mit vollem Karacho. Wir waren superglücklich über das eher mistige Wetter, das sich nach und nach aufgeklart hat. Denn wie mystisch die Landschaft aussah mit düsterem Wolkenbruch! Wären nicht so viele andere Touristen dabei gewesen, wäre es ein wahrlich magischer Moment gewesen.
Richtig prallen Sonnenschein hatten wir hingegen 2 Stunden später zur Weiterfahrt nach Portohué. Und da war er dann – der berühmte See Todos los Santos. Der Ort an sich ist winzig. Es gibt einen Mini-Supermercado, einen Souvenirshop und einen Campingplatz. Das war’s. Hier kommt man zum Kajak fahren und Baden. Erholung pur.
Wir sind also am schwarzen Sandstrand entlang spaziert und haben Sonnenstrahlen getankt. Und als auch am Strand irgendwann Schluss war, sind wir müde in den Bus zurück nach Puerto Varas gefahren.
Hätten wir uns richtig früh aufgemacht zum See, so hätten wir den Wanderweg nahe des Campingplatzes laufen können, um hoch oben den ultimativen Blick auf das Highlight des Ortes werfen zu können: Den Volcán Osorno, den Volcán Puntiagudo und den Volcán Calbuco. Vom Strand aus sind sie genauso schön. Theoretisch kann man aber auch Tage in den Wäldern des Parque Nacional Vicente Perez Rosales verbringen.
Piscola und die Skorpions
Zurück im Hostel war an Schlaf – wie auch die Nacht zuvor – nicht vor 2 Uhr morgens zu denken. Aber diesmal haben wir uns dazu gesellt und Chiles Version des peruanischen Klassikers Pisco (Traubenschnaps) probiert, Piscola; erklärt sich von selbst: Pisco und Cola. Wir haben uns mit vier Jungs aus Santiago in ihrem letzten Schuljahr (also zarte 18 Jahre alt) unterhalten und ja, wenn man zehn Jahre mehr auf dem Buckel hat, merkt man auch schon jetzt den Unterschied. Die „Boyband“, wie wir die Jungs intern nannten, hat uns allerlei zu carrete (Party machen) in Chile erzählt. Funktioniert wie bei uns: Man glüht zu Hause vor und geht dann in den Club. Ansonsten auch viele Home Parties. Aber eben nicht so viel Vielfalt wie bei uns.
Funny Facts des Abends:
– Ziemlich bekannt sind hier die Skorpions und Rammstein. Dadurch, dass beide Bands so fleißig Konzerte in Südamerika spielen, haben die hier eine echte Fanbase. Die Skorpions laufen auch häufig im Radio.
– Im Fußball-Finale waren alle für Deutschland, nicht für ihr Nachbarland Argentinien.
– Die Schule fängt in Chile erst mit 7-8 Jahren an und dauert 12 Jahre. Außer Englisch gibt es keine weitere Fremdsprache.
Ansonsten haben wir das besprochen, was man bei angesäuseltem Smalltalk immer bespricht: Schimpfwörter des jeweils anderen Landes, Musik und Festivals, Alkohol, Girls.
Das geht immer: German Autobahn (woooah, kein Speedlimit. In Chile ist es 120km/h.) Öffentliches Trinken ist in den meisten deutschen Städten erlaubt (Auch in Chile nur Privatvergnügen. Und in Plastiktüten versteckt.) Merkel (Pro`s und Contra).
Tagesausflug ins Dorf der Märchen und Gartenzwerge:
Willkommen in Frutillar
Wer hätte gedacht, dass wir so viel überspitzte „Deutschheit“ in einem kleinen Nest eine Fahrstunde nördlich von Puerto Varas finden. So ähnlich muss es Türken aus der Türkei gehen, wenn sie gelebtes Türkisch sein in Berlin erleben. Viel intensiver, kompakter gelebt als im eigentlichen Land. Man erhält sich seine Werte und Kulturgüter, weil sie einen nicht umgeben. So scheint es auch in Frutillar.
Uns begegnet an dem Hafenörtchen eine Gartenzwerg– und Spitzenvorhang-Dichte, wie wir sie in Deutschland nie finden würden. Die Pensionen und Restaurants betiteln sich mit „Frau Holle“, „Hansel und Gretel“, „Die Rose am See“ oder „Guten Appetit“. An jeder Ecke wird „Kuchen“ angeboten (chilenischer Plural übrigens „kuchenes“)… das traditionellste Gebäck ist hier Himbeerkuchen mit Vanillepudding und Lemon Pie mit viel Baiser-Schichten. Aber auch Streuselkuchen, Bienenstich und fette Sahnetorten dekorieren die Schaufenster.
Einzig kurios bleibt der Fakt, dass wir keinen einzigen Chilenen deutscher Abstammung finden konnten. Überall nur spanischsprechende Kellner und Besitzer. Aber ein deutsches Freiluft-Kolonialmuseum braucht der Ort natürlich noch – leider bei unserem Besuch geschlossen.
Insgesamt eine sehr witzige Mischung. Wer sich nach übertriebenen Heimatgefühlen unter Palmen sehnt, ist hier in jedem Fall gut aufgehoben.
Von Puerto Varas gibt’s nur eine Richtung: Süden. Bevor’s also endgültig von der Panamericana auf die Carretera Austral (DIE Straße Patagoniens) geht, machen wir noch einen Abstecher nach Chiloé. Und glaubt man allen Reisenden aus den Hostels, muss die zweitgrößte Insel Südamerikas ein Volltreffer sein!
Nützliche Infos:
Busfahrt nach Portohué: ca. 3000 Pesos p.P. hin und zurück
Busfahrt nach Frutillar: 4000 Pesos p.P. hin und zurück
Busfahrt nach Castro auf Chiloé: 6500 Pesos p.P.
Eintritt zu den Wasserfällen: 1500 p.P.