Nördliches Patagonien Teil II – Entspannen in Puyuhuapi, Couchsurfing in Coyhaique, die Marmorhöhlen von Tranquilo und die erste Grenzerfahrung Chile/Argentinien
Entspannte Tage in Puyuhuapi
Wir konnten es nach unserer Odyssee selbst kaum glauben, als wir schlussendlich den Boden Puyuhuapi’s unter uns hatten. Die Unterkunft war in dem kleinen Ort schnell gefunden. Mehrere Campingmöglichkeiten tummeln sich rund um den See. Wir sind entgegen aller Empfehlungen von Guideheftchen nicht im überdachten „La Sirena“ abgestiegen (unfreundlicher älterer Chileno, der uns ein paar Zentimeter Zeltplatz angeboten hat und schon Geld von uns wollte, obwohl wir noch nicht einmal die Backpacks abgestellt hatten). Glücklicherweise hat sein Nachbar das Geschäft mit den Backpackern geschnuppert und seinen Garten und eine Hütte mit Küche angeboten. Günstiger, mit free Wi-Fi (das bei Regen übrigens nicht funktioniert) und drei Bädern (whohooo, mit Warmwasser, wenn man eine gute Zeit erwischt). Der kleine Nuschel-Opi hat uns alle Herzenswünsche der maslowschen Bedürfnispyramide erfüllt und wir haben in seinem Vorgarten zwischen Blumenbeeten und See unser „Johnny Müller“ aufgebaut.
Den restlichen Tag haben wir entspannt, gegammelt und den kleinen Ort erkundet. Schnell stellte sich heraus: Auch hier klingt alles verräterisch Deutsch. Das lokale Bier heißt „Hopperdietzel“, die Cafés u.a. „Rossbach“ und die Hauptstraße „Otto Uebel“. Noch Fragen? Die Ortsgeschichte ist schnell erzählt: Vier deutsche Auswanderer ließen sich hier 1935 nieder und bauten mit aller Mühe und Not in dem sonst verregneten Örtchen (ALLE Einheimischen genießen die paar Wochen Sommer-Sonnenschein!) ihre Häuser. Bekannt ist bis heute die Fábrica de Alfombras, eine Teppichweberei, die bis heute aktiv ist. Die typisch deutschen Werte werden wohl – wie auch in Frutillar – bis heute kultiviert. Im Café Rossbach hatten wir lecker Apfelstrudel und Kaffee, zum Mittag haben sie Gulasch angeboten und das Lokal war versehen mit deutschen Souvenirs wie etwa Hüten und alten Aufnahmen aus der Heimat Rossbach.
Tag Zwei haben wir ebenfalls langsam angehen lassen. Während unsere 4 Chilenos auf den nächsten Gletscher sind, wollten wir zu einem Aussichtspunkt (Mirador), der uns quer über eine Kuhwiese zu drei verlassenen Hütten führte. Aber der Weg endete im Nirgendwo, was aber nicht weiter dramatisch ist, wenn man’s sich mit Blick auf einen Fluss im Moos gemütlich machen kann. So haben wir den Mitta über gedöst, gelesen und uns gesonnt, haben abends lecker mit ein paar anderen Backpackern gegessen (natürlich wie immer mit Papas Fritas (Pommes), die uns inzwischen zwar zum Hals heraushängen, aber günstig sind und sättigen. Aus unserer geplanten Gletschertour am Tag darauf inklusive Hitchhiking wurde leider nichts, denn sie fiel sprichwörtlich ins Wasser. Den gesamten Tag hat es geregnet und wir sind mit all unseren sieben Sachen in die Hütte gezogen, haben unser Zelt getrocknet (Johnny Müller hatte seine Wasser-Schmerzgrenze erreicht) und wir haben den Tag leicht durchfroren damit verbracht, Videos zu schneiden, Fotos zu sortieren und den nächsten Blogartikel zu schreiben.
Das nächste Busticket konnten wir erst für Montag um 6 Uhr (!) ergattern und auch die Kajaktour fiel aufgrund unseres Geldproblems aus (der See lädt wirklich dazu ein!). Also haben wir uns am Tag darauf müde um 4:30 Uhr aus dem Zelt geschleppt, alles leise zusamengepackt und mit unbeschreiblich vielen anderen Leuten auf den Bus gewartet. Typisch chilenisch eben, teilte er uns mit, was wir eh schon ahnten: überbucht und völlig überfüllt. Und vier Fahrräder müssen auch noch irgendwie in den übervollen Kofferraum. Eine gefühlte Ewigkeit und zahlreiche erklärungen über unsere Geldsituation später, standen wir dicht gedrängt im Gang und mussten mal wieder durch eine Achterbahnfahrt auf der Carretera Austral weiter in den Süden.
Auf halber Strecke musste Maike sich die erste Reiseübelkeitstablette einwerfen und sich dann wenig später halb in den Gang legen, denn ihr sind vor Müdigkeit immer die Beine weggeknickt (diese Tabletten machen immer so irre müde). Auch für Corinna war der Ritt die Schmerzgrenze zum Übergeben, aber nach ca. 2 1/2 stiegen die ersten Leute aus und wir Drei haben tatsächlich vereinzelt Sitzplätze ergattert. Trotz atemberaubender Landschaften hat uns das frühe Aufstehen und die Fahrt fix und fertig einschlafen lassen.
Couchsurfing bei Alfredo, dem Iron Maiden-Fan
Gegen Mittag in Coyhaique angekommen, haben wir überglücklich die nächste Santander-Bank aufgesucht und waren eeeendlich wieder flüssig! Was für ein Gefühl! Da wir noch auf unser Date mit Alfredo, unserem Couchsurfing-Host, warten mussten, haben wir die Zeit genutzt und den nächstbesten Ort mit Wifi aufgesucht. Einen schlechten, frittierten Empanada und Schwarztee später, stand er dann vor uns. Gut gelaunt, mit Iron Maiden-Shirt und Sonnenbrille hat er uns abgeholt und uns den langen weg zu ihm nach Hause dank Taxi erspart. Seine Wohnung ist eine Sozialwohnung mit Wohnküche, Bad und zwei Zimmern, er selbst passionierter Sozialarbeiter in den Sommerferien und unser Zuhause für 3 Nächte war ein eigenes Zimmer mit Matratze, Schlafsessel und single-Bett in blau-pinken Wandfarben. Bis auf die eigenwillig (de)montierte Toilette (lieber nicht zu viel bewegen) und das nicht abschließbare Bad (Tür ging immer auf mit direktem Blick ins Wohnzimmer :-)), hätte es keinen besseren Ort und Gastgeber geben können.
Den verbleibenden Tag haben wir mit Lebensmittel-Shopping verbracht (endlich kein trocken Brot mit Wasser mehr) und kleiner Ortserkundung. Bekannt ist die Stadt für seine beiden Parks in der Nähe, das Reserva Nacional Rio Simpson und den das Reserva Nacional Coyhaique (Eintritt 2.000 Pesos). Abends haben wir für Alfredo gekocht; eine für ihn skurril anmutende Mischung aus Zutaten: Hühnchen mit Tomate & Zucchini in Sahnesoße, garniert mit Basilikum, dazu Reis. Ein Gedicht! Alfredo hat sich beim Essen tapfer geschlagen – die Chilenos essen ihr Speisen ja eher „pur“, also Fleischkomponente und Reis ohne alles dazu – fertig.
Tag 2 sollte nach einem 12-Stunden-Schlaf-Nachhol-Start zu unserem Shoppingtag werden! Nachdem wir in der Touristeninfo mit Kartenmaterial bestückt wurden, haben wir die Aussichtspunkte ausgecheckt (der Mirador Rio Simpson lohnt sich) und sind anschließend in den Sodimac-Baumarkt zum Zelt-Equipment-Shopping. Corinna hat nun endlich einen warmen Schlafsack, wir eine Cocinilla (Gaskocheraufsatz), zwei Teller, 3 Thermosbecher und Kleinkram. Danach haben wir uns im Mamma Gaucha mit Essen belohnt – nach fast einer Woche notdürftiger „Back to the Basics“-Kost: Die Inhaber brauen ihr „La Tropera“-Bier gleich ein Stockwerk darüber und haben auch sonst zu satten Preise eine leckere Küche – für stolze 9 Euro haben wir uns eine Pizza Caprese geteilt; Corinna hat es gesüßelt und sich einen Apfelcrêpe mit Vanilleeis gegönnt.
Unser geplantes Abendmahl für uns alle fiel aus, denn Alfredo hatte Freunde eingeladen, die uns lecker bekocht haben. Der Klassiker aus Tomaten-Paprika-Zwiebel-salat mit grüner Pepperoni kam in Form von Hotdog-Brötchen mit leckerem Würstchen. Dazu dann noch Wraps mit gebackenem Käse, einer Füllung aus warmen Zwiebel-Paprika-Champignons-Mischmasch und Mayo-Knofi-Salsa. Die Zwiebeln hauen auf die Magen-Blähbauch-Kapazität, aber ansonsten leckeres, günstiges Essen! Und was dazu? Bier und Wein natürlich. Die Nacht ging noch lang und Björn und Corinna haben fast bis zum Schluss durchgehalten, kennen jetzt chilenische Trinklieder, Tänze wie den „Hueca“ und irgendwas traditionell Patagonisches und die gesellige Lebensart mitten in der Woche (die Nachbarn haben sich sicherlich gefreut – bei den dünnen Wänden).
An Tag 3 wollten wir eigentlich in den Nationalpark von Coyhaique, aber mal wieder hat uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung gemacht. Tja, und das Busticket nach Tranquilo war schon gebucht – also keine Verlängerung unseres Aufenthalts möglich. Also haben wir mit Alfredo und seinem Kumpel Rodrigo (Nickname „Lolli“) die Stadt nach einem Topf angesucht (witziges Wort wie wir finden: „olla“ – gesprochen ója). Gesucht gefunden. Nun nur noch chilenische Pesos in US-Dollar umtauschen, damit wir in Argentinien wieder gut tauschen können. Puh, ein schwieriges Unterfangen wie sich herausstellte, da wir erst die Kurse der drei bis vier Anbieter verglichen haben, um dann festzustellen, dass alle in der Mittagspause waren – also die Läden dicht. Also haben wir uns die Zeit mit Essen vertrödelt. Was könnte es besseres geben. Alfredo und Lolli haben uns zu einem Lokal navigiert, wo wir mit Sicherheit a) nicht von selbst hingefunden hätten (irgendwo im Hinterhof von einem wenig vertrauenserweckenden Laden) und b) wenn wir ihn denn gefunden hätten, nicht hineingegangen wären (kein Fenster, dunkelblaue Wände, Neonröhren, ein Flatscreen mit Nachrichten und eine Laden-Lieblosigkeit, die einem Trauerspiel glich). Aber Alfredo versicherte uns, dass man hier für nur 3.000 Pesos ein volle Mahlzeit mit Vorspeise mit Saft, Hauptgericht und Nachspeise bekam. Die Vorspeise entpuppte sich als gefüllte Avocado mit Dosenthunfisch, Koriander und Mayo auf Eisbergsalat. Klingt leckerer als es aussah und schmeckte, leider. Der Saft soll wahrscheinlich Grapefruit gewesen sein – war aber süß und vertrieb den Thunfischgeschmack. Der Hauptgang „Pastel de Papa“ war da schon besser: So wie ein englischer Shepherd’s Pie, nur eben neben Hackfleisch auch noch Eier, Hühnchen, irgendwas Fischiges und Rosinen dazu. Der Nachtisch war ein großes Stück Wassermelone. Dazu noch Instantkaffee als Absacker und voilà: die Zeit war um und die Wechselstube wieder offen. Nach dem eher durchwachsenden Start bei Regenschauer und Gerenne von A nach B sind wir noch kurz zum Supermarkt und dann ab zurück zu Alfredo (natürlich zu Fuß – also nochmal 40 Minuten).
Der Nachmittag und Abend jedoch sollte klasse werden: Die Jungs haben angefangen wie wild zu kochen (wo wir doch auch noch unsere deutsche Kartoffelsuppe exportfähig machen wollten) – Lolli entpuppte sich als echter Kochstar und hat kiloweise Mehl zu „sopaipillas“ verarbeitet; kleine runde Teigtaschen, die man nachher frittiert und dann mit einer Tomaten-Zwiebel-Paprika-Peperoni-Mischung isst. Dazu haben die Germans noch einen Birnenkuchen gebacken, weil wir alle Lust drauf hatten und DANN noch die Suppe. Um 20:30 Uhr waren wir alle so irre satt. Und noch dazu angeheitert, weil Alfredo fleißig „terremoto“s gemixt hat: also ein Glas randvoll mit Weißwein, dazu wahlweise Grenadine (süße variante) oder Vernet (argentinischer Kräuterschnaps – herbe Variante) getoppt mit einer Ladung Ananas-Eis. Ein echter Kopfschmerzmacher, wenn man nicht aufpasst. Abends haben wir noch Karaoke-Lieder von The Police über Foreigner bis Metallica geschmettert, uns gegenseitig Landeskulturgut vorgespielt (u.a. Paul Kalkbrenner, Peter Fox und – haut uns nicht – auch Helene Fischer) und die chilenische Nationalhymne vorgeträllert bekommen. Ein stolzes Völkchen – gebt mal bei YouTube „Chile Nationalhymne, World Cup“ (hier ist das Video verlinkt) ein und sucht nach dem Match gegen Spanien. Das ganze Maracana-Stadion in Rio hat mitgesungen – echtes Gänsehautgefühl.
Am nächsten Morgen ging der Bus schon um 8 Uhr und wir haben uns von den Jungs verabschiedet, das Taxi genommen und eine der schönsten Busstrecken genossen. Diesmal auch top organisiert mit Sitzplatz, Klimaanlage, genügend Platz für die Backpacks im Kofferraum – ein Traum!
Die Höhlen der „capilla de mármol“ in Puerto Tranquilo
Die ersten 2 1/2 Stunden führen noch über eine echte, gepflasterte Straße richtig Süden. Aber ab Cerro Castillo war’s das auch mit der Straße – zurück zur unbefestigten, staubigen, steinigen Straße. Die armen Fahrradfahrer, die sich die Carretera Austral hinunter trauen – wir haben uns schon oft gefragt, wie die sich tagtäglich motivieren können. Die 5 Stunden Fahrt entlang Bergketten, Wäldern und dem größten See Südamerikas, dem Lago General Carrera (auf argentinischer Seite heißt er Lago Buenos Aires), können sich wirklich sehen lassen. Wenn nur die vielen Kurven nicht wären. Wir waren froh angekommen zu sein und ein bisschen geschockt über das erste Bild, das wir zu sehen bekamen: eine Horde hoffnungsvoller Backpacker, die dem Bus schon gleich am Anfang hinterhergelaufen sind. Hier scheint echt nicht leicht zu sein, wieder wegzukommen, war unser erster Gedanke. Oje, werden aus ursprünglich einem Tag wieder 3-4 Tage, weil nichts fährt? Unter den Wartenden waren auch 3 Leute, mit denen wir in Puyuhuapi abends essen waren. Sie haben uns gleich vorgewarnt, dass auch per Anhalter hier eine echte Herausforderung werden kann, denn schließlich wollen alle weg. Und die Busse nach Chile Chico fahren auch nur zweimal die Woche. Huch. Na dann auf ins Abenteuer!
Inzwischen geübt im Suchen und Finden, haben wir das Gepäck abgeladen mit Björn als Beschützer und sind zur Touriinfo. Mit Preisen für die Bootstour zu den Höhlen, einem Camping-Tipp eines älteren, deutschen Trampers und einer geschlossenen Ticketstation für den einzigen Bus nach Chile Chico am Sonntag (noch 3 Tage entfernt) sind wir wieder zurück, haben das Gepäck gesattelt und sind zum Campingplatz „Bellavista“. Nach dem üblichen Zeltaufbau und einer kleinen Verschnaufpause sind wir zurück zum See, wo sich alle Marmorhöhlen-Touranbieter tummeln und haben gleich die letzte Fahrt um 18 Uhr gebucht. Denn das Wetter war herrlich und wir wollten den Fehler der letzten beiden Orte („machen wir morgen“ – Pustekuchen!) nicht nochmal begehen – das Wetter ist unberechenbar. Bis dahin haben wir uns noch am milchig-minzgrünen See entspannt, die Sonne genossen und uns auf die Tour gefreut.
Mit einem Boot und 9 Personen an Bord ging’s dann zügig und mit viel Hintern-BumBum aufgrund des Wellengangs (oder dem amüsierten Bootsfahrer… wer weiß?) richtig Höhlen. Eines von Maikes ersten Highlights, die sie beim sich „Vorfreude-machen“ in Berlin entdeckt hatte. Und trotz eher mäßigen Erklärungen des Mannes („Schauen Sie, wohin meine Hand zeigt: Dort sehen sie eine Marmorhöhle in Form eines Elefanten, der Wasser trinkt!“), hat sich die Tour wirklich gelohnt. Die Landschaft rund um den See ist wirklich einzigartig und wenn die Sonne auf dem minzgrünen Wasser und an den Höhlen glitzert, entsteht eine ganz besondere Atmosphäre. Die Boote fahren direkt in einige Höhlen hinein und man kann das Marmor und den Granit anfassen, das mineralhaltige Wasser kosten, ausreichend Fotos machen. Einige Waghalsige haben sich auch an Bord aus ihren Klamotten gepellt und wurden an einem Felsen hinausgelassen, um von oben ins Wasser zu springen und durch einige Höhlen zu klettern. Uns war schon beim Zusehen kalt und unserem wohlgenährten Freund, der die Aktion mitgemacht hat, konnte man das Bibbern danach ansehen.
Die Fahrt zurück glich einer alten Holzachterbahn: Wir haben jede Welle mitgenommen und es hat irre Spaß gemacht!
Langsam vergehende Stunden in Chile Chico und unser Grenz-Wanderabenteuer
Zurück an Land haben wir einen letzten Versuch unternommen jemanden bei der Bus-Adventure-Firma zu erreichen und tatsächlich bot man uns einen Bus gleich am Morgen darauf um 8 Uhr nach Chile Chico an, vorausgesetzt, es würden sich nicht noch Einheimische dafür melden – die haben nämlich Vorrang. So haben wir uns auf die Warteliste setzen lassen und gehofft, dass die Dame – wie angedeutet – uns irgendwie abends noch am Zeltplatz Bescheid gibt, ob’s klappt oder nicht. Und siehe da: Wir waren gerade frisch beim Abendessen (Reis mit Möhren und Erbsen), da kam sie tatsächlich mit der guten Nachricht vorbei! Also wieder nur eine kurze Nacht. Aber kein Warten, kein Bangen und hoffentlich Sitzplätze im Bus.
Am nächsten Morgen entpuppte sich der Bus als Privatjeep des Adventure Tour-Besitzers und wir waren die einzigen Passagiere. Auf unserer morgendlichen Fahrt haben wir unterwegs noch einen älteren Chilenen zum nächsten Ort mit aufgegabelt und ansonsten gehofft, dass die 3 1/2 Stunden (mit dem Bus wohl 5 Stunden) trotz atemberaubender Seeumrundung bald ein Ende findet. Die Aussage im Lonely Planet stimmt nämlich – die Serpentinen und Straßenbeschaffenheit übertrifft nochmal alle Busfahrten zusammen. Wer weiß, ob wir das im Bus so gut gepackt hätten. Unser Fahrer Paco hat uns mit lauter Cumbia-Musik (Folklore) dauerbeschallt (jede weitere Fahrstunde hätte Folter für die Ohren bedeutet) und ist um die Kurven geheizt (natürlich unangeschnallt) als sei’s ein Rennen. War’s wohl auch, denn wir kamen überpünktlich um 11:30 Uhr in Chile Chico an und hatten bis zum von der Touri-Info angedeuteten Busabfahrt zum Grenzübertritt nach Argentinien noch 5 Stunden Zeit. Die haben wir uns mit einem Lucuma- und Vanille-Milchshake und etwas sonniger Langeweile am See vertrieben.
Insgesamt hat uns der Ort aber wenig gegeben – das Essen war teuer (wenn auch gut) und der Bus, der zwischen 15:30 und 16:30 kommen sollte, war natürlich proppenvoll. Wir waren die Ersten, die am Halteort gewartet hatten und kamen nicht mit. Unser Gepäck hätte sowieso kein Platz gehabt. Also was tun? Das einzige Taxi nehmen, das uns für 5.000 Pesos bis zur chilenischen Grenze brachte. Laut Straßenschild sollen es nur 7km bis Los Antiguos sein, dem ersten Ort auf argentinischer Seite. Also haben wir all unsere Sachen ins Taxi verladen und sind zur chilenischen Grenze, um auszureisen. Nach nur 5-7 Minuten Wartezeit haben wir unseren Ausreisestempel im Pass bekommen und unser überfreundlicher Taxifahrer hat uns noch ein kurzes Stück gefahren bis wir mitten auf der Straße an eine Linie kamen, die die Grenze markiert hat. Bis hier hin und kein Autorollen weiter. Er hat unterwegs einen argentinischen Taxikollegen angerufen und von den drei wandernden Backpackern erzählt, die er auf der anderen Seite abholen und nach Los Antiguos fahren könne. Wir sollten einfach dem Taxifahrer einfach nur ein Stück entgegen laufen und er würde an einem Baum da hinten abholen… aja, an einem Baum da hinten. Ist klar. Wir haben uns bedankt – ein optimistisches Foto mit den „bienvenidos“-Schildern beider Länder gemacht und sind in voller Montur und bei knallender Sonne die paar Kilometer zur argentinischen Einreisebehörde gewandert. Der zweite Taxifahrer kam nie. Und so richtige Bäume gab es in der Ödnis des Niemandlands auch keine. Höchstens Büsche. Circa 45 min bis 1h später war das Häuschen mit dem Grenzposten endlich in Sicht. Und wir mehr als gerädert.
Mit mehreren Pausen (wer hätte gedacht, dass die paar Sachen und Lebensmittel SO VIEL WIEGEN KÖNNEN!) haben wir uns in das Office geschleppt, wo wir auch gleich wieder unsere beiden chilenischen Familien vom krassen Wanderweg im Parque Púmalin wiedergetroffen haben und konnten wenig später mit neuem Stempel im Pass und Einreisebestätigung auf einem Extra-Zettel schnurstracks an allen wartenden Autos und dem Zoll vorbeilaufen. Als wäre nichts gewesen. Björn hat uns mit seiner Offline-Karte noch eine Distanz von 1-2km prognostiziert, die wir dann – inzwischen durchgeschwitzt, hungrig und weniger gut gelaunt – alle noch gestemmt haben. Hätte man uns doch nur schon vorher gesagt, dass dieser Minibus (der selbstverständlich an uns vorbeifuhr) schon voll war, wir hätten uns das Wartespiel in Chile Chico um mehrere Stunden erspart und wären nun nicht abends ausgehungert in Los Antiguos angekomen… Aber sei’s drum. Es ist eben wie es ist.
Auf der Hauptstraße angekommen, haben wir wieder die Devise verfolgt: einer beim Gepäck, die anderen beiden fragen nach Unterkunft, Weiterfahrmöglichkeiten & Co. Da Björn sich mit Zelt und dem größten Teil unseres Essens abgemüht hatte, durfte er sich bei einem Bier im Restaurant des Ortes ausruhen. Währenddessen sind Corinna und Maike den endlosen Marsch zum Busterminal angetreten, um dort angekommen, den ultrateuren Nachtbus nach El Chalten (mit Anschlussticket nach El Calafate) zu buchen, US-Dollar zu tauschen und den nächstgelegenen Campingplatz zu erfragen. Mit Hunger, der sich nicht mehr beschreiben kann, weil man SOOOO hungrig ist, sind Corinna und Maike zurück zu Björn, um im selben Restaurant zu essen (Hühnchen auf gegrillter Zucchini) und einen Pfirsichsaft dazu. Inzwischen war es restlos dunkel und die „Johnny Müller“-Wandergruppe wenig motiviert den weiten Weg bis zum Zeltplatz anzutreten. Wir hatten auf ein Taxi gehofft, das wir unterwegs hätten anhalten können, aber es kam partout keins. Also sind wir noch einmal eine Dreiviertelstunde mit allem Gepäck und angeschalteten Stirnlampen zum Zeltplatz „Municipal“ gelaufen. Nachts dann das Zelt aufgebaut, noch schnell das Nötigste gewaschen und einfach nur noch schlafen schlafen schlafen.
Das Abenteuer „Südpatagonien“ wartet.
Nützliche Infos:
– Busfahrt von Puyuhuapi nach Coyhaique: 8.000 Pesos p.P.
– Busfahrt von Coyhaique nach Tranquilo: 9.000 Pesos p.P.
– Marmorhöhlentour in Puerto Tranquilo: 8.000 Pesos p.P. (gleicher Preis bei allen Anbietern)
– Tipp 1: Wenn der See ruhig ist, eine Fahrt bei vollem Sonnenschein buchen. Dann spiegelt sich das Wasser in den Höhlen und zaubert eine tolle Marmorierung.
– Tipp 2: Wenn ihr sensible Geräte mitnehmt, packt den Drysack für die Kamera o.ä. ein. Gold wert! Hinten wird man gut nass auf dem Boot – Sitze vorne oder in der Mitte nehmen!
– Autofahrt von Tranquilo nach Chile Chico: 15.000 Pesos p.P. (mit den Bussen günstiger, aber zeitlich unflexibler)
– Tipp: Busfahrt von Chile Chico zur Grenze vorreservieren. Es fahren nur Minibusse.
– Busfahrt von Los Antiguos nach El Chalten mit Open Ticket nach El Calafate: 80 USD / Busabfahrt 20 Uhr
– Umtauschkurs USD – Arg Pesos im Busterminal in Los Antiguos: 1 US$ – 12 Pesos (der richtige Oberknaller sind 1$ – 14 Pesos, aber schwer zu finden; nur auf dem Schwarzmarkt, Banken tauschen meist 1$ – 9 Arg Pesos)