Einmal vom Sea to Sky Highway herunter offenbarte sich uns, warum genau die Straße einfach in eine andere umbenannt werden musste – bis auf den Fakt, dass man doch mal nach 3 Stunden irgendwo links abbiegen musste – die Landschaft veränderte sich einfach schlagartig! Genannt wird das ganze dann „Cariboo“ Region und die ersten Bilder der Galerie geben einen ersten Eindruck, was einen über Stunden erwartet: Ranches, Rinder, Felder, Holzverarbeitung.
Das Terrain scheint sich seit den 1850ern nicht mehr sonderlich verändert zu haben. So haben wir beispielsweise an einer Gas Station getankt, die so ziemlich alles in einem ist in diesem Winzling von einem Ort: General Store, Post Office, Lebensberater, Coffee Shop. Passenderweise wurde dem Allroundgebäude der Name „70 Mile House“ gegeben, kreativ benannt nach dem Abstand zum nächstgrößten Ort Lillooet. Zwischen den Stoppelfeldern und grasenden Kühen ploppt dann mal aus den Nirgendwo ein Städtchen auf und bietet eine neue Möglichkeit zum Tanken. Wie etwa Williams Lake, wo aus der mystischen Landschaft dann doch mal die Sonne aufblitzte und uns im „Bean Counter Bistro“ ein leckeres Lunch mit spitzen Kaffee und einem Bean Wrap mit rosa Dip und einem Veggie Panini bescherte. Vorher haben wir noch einen Abstecher zum Green Lake gemacht und allein die Fahrt dahin war schon spektakulär und wesentlich schöner als der See, denn die herbstliche Farbpracht haut einen aus dem Sitz! Die Fotos bringen das aber leider nicht ganz so herüber. Zumindest haben wir’s versucht…
In Quesnel haben wir dann kurz vor 16 Uhr den nächsten Zwischenstopp gemacht und waren von der immens freundlichen Touri-Info überredet, selbst bei durchwachsenem Wetter die 70km Umweg zu machen, um nach Barkerville zu fahren. Dahin führt genau eine Straße. Und es gibt nur an der Abfahrt zur Straße eine Tankstelle und sonst nichts außer Bären und Wald. Und das alles für eine Original-Westernstadt außerhalb der Hochsaison! Na, das muss aber gut werden!
In dem einzigen Örtchen vor Barkerville, Wells, haben wir dann Rast für die Nacht gemacht und uns herumgefragt, wo wir noch einen RV Park mit heißen Duschen finden. Und das die Leute hier anscheinend so gar nicht an Profit orientiert sind, merkte man spätestens als uns die eine Camper-Zeltplatz-Besitzerin empfahl, nicht bei ihr zu übernachten, sondern beim Kollegen 500m weiter. Der sei günstiger. Etwas ungläubig über ihren Sinn fürs Geschäft sind wir tatsächlich die paar Meter weiter und haben zu dem irre günstigen Preis von $10 mit exzellenten Duschen und Toiletten sowie einer gratis Holzladung für ein Lagerfeuer im „Nugget Hills RV Campground“ geschlafen. Im Auto wohlgemerkt. Björn hat das Zelt zwar noch aufgebaut, aber die Nacht im Auto war um einiges besser und wärmer (Sitzheizung!!!).
Und weil der Ort einfach winzig ist und die Quesnel-Ladies von der Touristenzentrale uns von den drei Geschäften genau dieses eine zum Ausgehen empfahlen, sind wir im „Bear’s Paw Café“ gelandet, was nicht nur DIE Entdeckung in Wells ist, sondern bestimmt eine der besten Adressen in ganz British Columbia! Ein ultranettes Pärchen betreibt den Laden und der Besitzer hält mit jedem einen kleinen Schnack, quasi Ladenphilosophie. Nebenbei bieten sie auch Kanutouren und Eiswander- und Langlauftouren auf und im Bowron Lake Provincial Park an, die man sich per TV an der Wand in Bildform ansehen kann. Ja, es wird kalt in der Cariboo-Region, holla die Eisfee! Die Musik ist dezent, der Laden ein halber Kunsthandwerksausstellungsort (am liebsten hätten wir die Tassen mitgehen lassen!) und das Menü oberlecker! Für uns gab’s Rock Creek Cider, eine heiße Schokolade und dann DAS Menü vor dem Herrn: BBQ Rippchen mit Caesar Salad, sautiertem und geröstetem Gemüse. Wir haben uns eine Portion geteilt und es hat dicke gereicht. Selig sind wir aus dem Restaurant raus und dankten den Damen von der Touri-Info für diesen kleinen Geheimtipp! Bei Hörbuch und Whiskeyschluck schlief es sich dann abends besonders gut ein…
Wells ist ansonsten einfach nur ein kleines Nest mit dem großen Jack O’Clubs Lake (cooler Name für’nen See, oder?) und einer großen Künstlerdichte. Angeblich hatte der Ort 1942 mehr Einwohner als die Städte Quesnel oder Prince George (unvorstellbar – letztere ist riesig für BC-Verhältnisse). Aber dann kam die Schließung der Goldminen und anderen Mineralien-Minen um 1960 und damit war’s vorbei mit dem Wachstum. Heute wohnen ca. 300 Leute hier (doppelt so viele im Sommer) – im Winter nur um die 100 Menschen. Puh, muss man mögen. Wir fanden das Parkradio auf jeden Fall spitze. Da sitzt da in Wells so ein einsamer Typ in seinem Kabuff und moderiert die „Highlights“ des Orts an und ab… und zwischendurch gibt’s schunkelige Elvis-Lovesongs und Swing auf die Ohren.
Am nächsten Morgen war es dann soweit: Das Frühstück haben wir kurzerhand ausgelassen und sind gleich die 8km weiter nach Barkerville, wo uns Bäckereien und Saloons versprochen wurden. Die erste Überraschung war dann direkt an der Kasse. Statt der $14,40 pro Nase, mit denen wir gerechnet hätten, war’s so ca. eine Woche vor Schluss nur noch auf Spendenbasis. Och, wie nett! Na, das wird ja günstig! Den Rest des gesparten Eintrittsgeldes haben wir dann sofort in Goldgräber-Kaffee und Zimtschnecken investiert. Wir waren dank des Herbstprogramms, dass uns die Damen in Quesnel gegeben hatten, bestens über die Attraktionen und Führungen informiert und haben uns von der molligen Dame in traditioneller Kleidung eine 1 1/2 stündige Tour durch die Historische Stadt geben lassen. Und was wir uns noch so merken konnten, war folgendes:
BARKERVILLE & DER CARIBOO GOLDRAUSCH
– benannt nach dem englischen Goldsucher Billy Barker (wurde 1862 fündig)
– ab 1863 der Hauptort des Cariboo-Goldrauschs im kanadischen British Columbia
– am 4. Juni 1924 zur Nationalen Geschichtsstätte erklärt
– zu Spitzenzeiten mehr als 5.000 Einwohner; jetzt eine Geisterstadt
– seit 1958 wird Ort restauriert, seine Geschichte erforscht und mit Schauspielern und Geschäften als künstliche Goldgräberstadt am Leben erhalten
– in Blütezeit größter Goldgräberort nördlich von San Francisco und westlich von Chicago
– Barkers Claim (sein Goldareal) war so ergiebig, dass er 37.500 Unzen Gold erbrachte
– komplette Stadt mit Läden, Restaurants, 20 Saloons, einem Theater (bietet Vorführungen an), Bordellen, einer Tageszeitung
– haben erst in Zelten übernachtet, später kamen dann Holzhäuser / 1868 wurden zahlreiche Holzhäuser der Stadt durch einen Brand zerstört (im September! Äh, kalt?!) und innerhalb von 6 Wochen wieder aufgebaut (90 Gebäude in 6 Wochen – da müssten sich die Betreiber des Berliner Flughafens mal ein Beispiel nehmen)
– die enge Main Street wurde im Zuge dessen verbreitert, Holz-Bürgersteige hinzugefügt (so umging man den Matsch bei Regen und Schnee)
– 1880 entstand eine erste Schule mit 13 Schülern
– nach Ende des Goldrausches kamen die Chinesen (bis zu 1.000 Bewohner), die den Fortgang der Goldgräber wettmachten
– trotzdem war Ende besiegelt: 1958 beschloss Regierung, den fast verlassenen Ort zu restaurieren, und die Geschichte jedes einzelnen Hauses aufzuarbeiten
– die wenigen Bewohner verließen den Ort und zogen während der Restaurierungsmaßnahmen nach New Barkerville
In der Stadtführung hat die vornehme Dame es natürlich wesentlich spritziger erklärt… zum Beispiel wie ersten Frauen ins Gebiet kamen und sich an den hungrigen, kochdoofen Goldgräbern eine goldene Nase verdienten. Die ersten Bed & Breakfasts wurden in Frauenhand geführt; die Saloons bekamen Tänzerinnen, die traurigerweise aus armen Schichten Englands deren Eltern „abgekauft“ wurden und nach Nordamerika verschifft wurden. Da wurden sie dann zu Tänzerinnen ausgebildet, erhielten schöne Kleider und mussten ihr „Schuldenkonto“ für ihre Ausbildung und Kleidung dann wieder „abtanzen“, um „frei“ zu sein. Dass die betanzten Männer nach einer langen Schicht unter der Erde oft mehr wollten als nur Rüschen hüpfen sehen, verstand sich von selbst.
Wir haben dann noch das Cornish Wasserrad bestaunt und natüüürlich ein paar Goldstücke gefunden 😉 Das Wetter war immer wieder ein Wechselspiel aus Sonne und Regen, was dem Ort erst seinen richtigen Charme verlieh. Wir haben uns bei ziemlich kriechender Kälte von einem Laden zum nächsten gerettet; sind unterwegs immer wieder dem Schmied, Zeitungsmenschen, Goldgräber-Chinesen und Billy Barker selbst begegnet und hatten eine Menge Spaß für wenig Geld! Im Sommer sicherlich ein echtes Highlight, wenn noch mehr Schauspieler, Wägen und Läden da sind…
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