Obwohl wir zwar ernsthaft begeistert von Arequipa sind, ist die eigentliche Hauptattraktion, der „Cañón del Colca“, 97 km nördlich von Arequipa entfernt. Als tiefste Schlucht der Welt bekannt, wollten wir uns dieses Wanderspektakel nicht entgehen lassen. Bevor’s mit der Tour und ein paar tollen Fotos losgeht, noch ein paar Fakten zum Canyon… also, auf auf zur kleinen Lehrstunde!
Fakten zum Colca-Tal:
– 3.191 m tiefe Schlucht, „gegraben“ vom Colca-Fluss
– der Grand Canyon ist „nur“ 1.800 m tief
– heißt Colca Canyon, weil die ursprünglichen Bewohner der Region in den Höhlen, „Colcas“ genannt, Getreide gelagert haben
– berühmt für seine, teils jahrhunderte alten Terrassen, die landwirtschaftlich genutzt werden
TAG 1: Cruz del Condor und ab in die tiefen Tiefen
Wer früh aufsteht, will belohnt werden. Obwohl 3:00 Uhr aufstehen schon wirklich kein Zuckerschlecken ist. Natürlich wurden wir wieder nicht um 4 Uhr, sondern ca. eine halbe bis Dreiviertelstunde vom Hostel mit dem Shuttlebus abgeholt. Schlaf scheint in Südamerika überbewertet… der frühe Vogel und so. Im Bus haben wir dann so gut es ging versucht noch eine Prise Schlaf nachzuholen, was bei der Kurven- und Höhenlage gar nicht so einfach war; teilweise ging’s auf 4.900 Höhenmeter.
In Chivay, der Provinzhauptstadt der Canyon-Region, haben wir um 7:30 Uhr erst einmal bei Eiseskälte mit unserer zukünftigen Gruppe gefrühstückt. Viel Coca-Tee und kalte Finger später sind wir weitergezogen, um die kreisenden Kondore am „Cruz del Condor“ zu bestaunen. Die fliegen nämlich in der Zeit von 8-10 Uhr bei der ersten schwachen Morgenthermik über die Schlucht und gehen dann später auf Nahrungssuche. Teilweise sind die Vögeln mit einer Flügelspannweite von 2-3m nur ein paar Meter über unsere Köpfe hinweg gezogen. Obwohl ziemlich mit Touristen beladen, ist es ein einmaliges Schauspiel und die Blicke auf die Schlucht, die Andenlandschaften und grünen Terrassen sind wirklich einmalig. Man möchte das alles ganz, ganz lange in sich aufsaugen und den Blick nicht mehr abwenden. Die Minibusfahrt entlang der Schlucht ist spektakulär; der Fahrstil der Peruaner bei den engen, gerölligen Staubstraßen ebenso. Unterwegs haben wir auch noch die Mutti vom Guide eingesackt und ein Dörfchen weiter gefahren. Alles recht familiär also.
Ach, bevor wir’s vergessen, noch einige Fun Facts zum Kondor: Ein super monogames Tier, das bis zu 90 Jahre alt wird. Stirbt beispielsweise das Weibchen, fliegt das Männchen aus lauter Trauer so hoch es kann, um sich dann – ohnmächtig von der Höhe oder nicht – in die Tiefe zu stürzen und Selbstmord zu begehen. Das muss Liebe sein. Bei den weiblichen Geiern ist derartiges leider nicht bekannt. Wahrscheinlich denken sie eher an den Nachwuchs und funktionieren einfach weiter, wenn ihr Männchen stirbt.
Kurz vor Cabanaconde wurde die Gruppe dann herausgelassen, aufgeteilt in die 2- und 3-Tages-Wandernden und los ging’s mit unserer niedlichen Marizol, 23 Jahre jung, die im Gegensatz zu uns dick eingepackt vor der Sonne war. Die Sonne hat es im Colca-Tal im Übrigen in sich. Lichtschutzfaktor 50 ist keine Untertreibung! Hätte es keinen Wind gegeben, wären wir dahingeschmolzen. Und wir haben die armen Zweitagestouristen bedauert, die täglich 7-8 Stunden wandern mussten, ohne Zeit die Landschaft zu genießen, geschweige denn, sich Zeit für Fotos und Trinkpäuschen zu lassen. Wir hatten drei entspannte Tage mit max. 3 Stunden wandern vor uns und viel Freizeit am Nachmittag und Abend.
Am ersten Tag ging es also ziemlich steil und mit viel losem Geröll hinunter, was wir von unseren Erfahrungen im Torres del Paine, Chile und beim Fitz Roy, Argentinien, schon ganz gut kannten. Trotzdem eine Belastungsprobe fürs Knie. Gemeistert haben wir die Tour allemal und wurden – nachdem die Brücke über den Río Colca endlich in Sicht war – mit einer sehr einfachen Unterkunft in schönster Lage und leckerem Essen belohnt. Die Hütte gehörte gerade noch so zum Dörfchen San Juan de Chuccho und wir wurden von der peruanischen Familie, die uns freundlicherweise bekocht und beherbergt hat, freundlich empfangen. Hätten wir doch nur vorher gewusst, was es da Leckeres auf dem Teller gab! Es sah aus wie Geschnetzeltes in Öl mit Paprikapulver und viel Knofi an Reis. Es hat sich als Alpacafleisch entpuppt und war (leider) ziemlich lecker. Eine Stunde und viel Entspannen auf der Wiese später begegnete uns auf dem Weg zur Toilette (auch sehr basic: eine Tür existierte per se nicht; die andere Toilette hatte zwar eine, war aber nicht so blickdicht, wie man es sich aus Gründen der Privatsphäre vielleicht gewünscht hätte) ein superwolliges, ultraknuffiges, weißes Alpaca names Misky, das fröhlich an Gräsern und Blumen herumrupfte. Das schlechte Gewissen wahrscheinlich einen seiner Freunde oder Geschwister verspeist zu haben, begleitete uns noch den ganzen Abend. Weshalb wir fortan nachgefragt haben, was da auf dem Teller lag. Den kleinen Jungen mit seiner frechen Schwester Maite hat’s aber wenig gekümmert. Logo, schließlich essen sie hier auch Meerschweinchen. Der Abend bei Kerzenschein war mit unserer Reisetruppe noch recht lustig, waren wir doch ein buntes Gemisch aus 4 Deutschen, 4 Franzosen, einem Finnen und einem Amerikaner. Wir haben uns gegenseitig Kartenspiele unserer Länder beigebracht (kennt ihr ein typisch deutsches Kartenspiel?!) und hatten bei „Bullshit“ eine Menge Spaß.
TAG 2: Kleine Pflanzenkunde und Entspannen im Swimmingpool
Der nächste Tag startete mit einem einfachen Frühstück (zwei Pancakes mit Marmelade und Cocatee) und etwas Flickgeschick vom Familienoberhaupt, der der zierlichen Französin die Sohle mit Eisendraht wieder an den Schuh gehämmert und gebogen hat. Bei schönstem Wetter sind wir entspannt gestartet und haben uns von Marizol allerhand Früchte und Pflanzen zeigen lassen. So z.B. DIE Früchte der Region, die es schlichtweg überall gibt, „Tuna“ und „Chirimoya“. Beide kannten wir schon von unseren Reisen durch Chile und Bolivien, aber, dass Tuna direkt am Kaktus wächst, hätten wir nicht gedacht. Sehen aus wie Warzen am Kaktus. 🙂
Ziemlich beliebt ist hier auch „Sancayo“, eine Frucht, die ein bisschen aussieht wie Kiwi von innen, aber von außen sehr stachelig ist und ähnlich wie Zitrone schmeckt. Daher kommt auch der regional typische „Colca Sour“, also Pisco mit Sancayo anstatt der kleinen, grünen, super sauren Limonen, Eiweißschaum und einem Spritzer Angosturabitter, wahlweise auch mit Zimt.
Super spannend fanden wir auch ein kleines Insekt, genannt „cochinilla“ (zu deutsch: Cochenilleschildlaus), die parasitär am Kaktus nistet, und – ja, jetzt kommt’s – zerdrückt eine rote Farbe abgibt mit der die Einheimischen damals wie heute ihre Stoffe einfärben. Das schlaue, schlaue Wikipedia klärte uns im Nachgang noch auf, dass aus den weiblichen Tieren Karminsäure gewonnen wird, die die Grundlage für die Herstellung des Farbstoffs Karmin darstellt. Die Farbe der zermatschten Laus kann aber noch viel mehr: Sie ist Kosmetik-Farbstoff, ein natürlicher Lebensmittelfarbstoff (als E120 markiert, müsst ihr mal auf die Verpackungsrückseite schauen) und eine Malerfarbe. Marizol hat den Kaktus mit der Quetschlaus beschmiert und ist gleich zum nächsten Baum, der „molle“ gezogen. Auf deutsch heißt der Peruanischer Pfefferbaum und ist in eurer Pfeffermischung die getrocknete, rosa Variante. Wieder was gelernt. Davon gibt’s viele Unterarten, u.a. die Baumart, die richtig schön duftet (wie ein Erkältungsbad), aber Mücken und Viecher abhält, wenn man sich mit den Blättern einreibt. Ein natürliches Insektenschutzmittel.
Ein weiterer Pflanzenklassiker in Südamerika ist die Agave, die hier vor allem für ihre Fasern verehrt wird. Kann es mit Angelsehne auf sich nehmen, so stabil ist das Zeug. Und was ist natürlich der Weltbestseller? Logo, Agavendicksaft. Dazu wird der nach dem Abschlagen der Blätter verbleibende Stamm genutzt und dick eingekocht. Und wer hier Barfachmann/-frau ist, wird wissen, dass die Mexikaner die Agave (aber nur die blaue) für Tequila nutzen. Heiliges Pflänzchen also. So viel zum Lehrgehalt dieses Artikels.
Unser heutiges Tagesziel führte uns am Städtchen Chinchero vorbei, auf ca. 3.700 Höhenmeter, das Sommersitz der Inkas war. Angeblich soll der 10. Inka Túpac Yupanqui hier seinen Lieblingsverweilort gehabt haben. Marizol erklärte uns voller Stolz, dass es hier zur Karnevalszeit richtig heiß hergeht und die Kirche aus der Kolonialzeit mit Fundamenten aus der Inkazeit (!) noch heute Messen in Quechua abhält. Das Trekking war bis dahin easy, bis auf 20 Minuten super steiler Anstieg, der einem das letzte bisschen Atem bei der Höhenluft raubt. Pralle Sonne inklusive. Aber nach Chinchero kam nur wieder Staubpiste und dann ein ziemlich steiler Abhang direkt runter ins grüne Tal, wo wir schon von weitem die blau schimmernden Pools haben leuchten sehen. Das Ziel war soooo nah! Und einmal angekommen ein absolutes Paradies! Wir kamen kurz vor der Mittagszeit an und sind direkt in den Pool gehopst! Die Männer haben sich mit Wasserball vergnügt und die Mädels haben sich an den Poolfelsen gesonnt und das Panorama der Schlucht genossen.
Unser Doppelzimmer war noch größer als unser Bett zu Hause, bestimmt ungelogen 2,50m lang und breit. Nach dem Mittagessen (wie schon am Vortag bei der einheimischen Familie gut salzig) haben wir uns dann in die Hängematten oder auf die Wiese gepackt, gelesen, entspannt, uns von der Sonne wärmen lassen oder waren nochmal im Pool. Wie im Tal so üblich, waren die Sonnenstunden nur begrenzt und irgendwann haben die Gebirge uns Schatten gespendet. Schade nur für die 2-Tagestrekker, die erst ziemlich spät (gegen 16-17 Uhr) angekommen sind und damit einen schattigen, erkalteten Pool und kein Sonnenbaden mehr hatten. Das Abendessen um 19 Uhr war wieder in unserer lustigen 10er-Runde, Kartenspiele und viele Happy Hour-Cocktails inklusive. Aber Marizol hat uns brav belehrt, dass es morgen gleich um 4:40 Uhr weiter geht. Keine Minute später. Denn es würden 3 Stunden steiles Bergauf auf uns warten… na hallelujah.
TAG 3: Nachtwanderung und viele Aussichtspunkte
Ungelogen, 4:40 Uhr ging’s los. Mit Stirnlampe, Handylicht und Taschenlampen ausgestattet, sind wir ganz langsam und stetig Stein für Stein hochgewandert und haben uns die vielen, steilen Zick-Zack-Kurven bei anbrechender Helligkeit lieber nicht angesehen. Einfach nur machen. Stückchen für Stückchen. Für das Bewundern des Sonnenaufgangs blieb nicht viel Kraft. Einfach nur weiter. Es sollte schließlich noch einiges auf dem Tagesprogramm stehen. Tipp: Obwohl es superfrüh ist, Schoki und Kekse essen bevor’s losgeht! Das bisschen Energie und Zucker muss einfach sein. Die letzte Stunde wurde schwer… der Kopf konnte noch, die Beine wurden aber zusehends wackliger und der Stolperanteil deutlich höher. Unseren Ami hörten wir im Hintergrund nur fluchen und stöhnen, der Finne nahm es mit Leichtigkeit und die Franzosen und wir zogen es einfach still durch.
Um kurz nach 7:00 Uhr, also unter den geplanten 3 Stunden hat uns Marizol am Gipfel angekommen, abgeklatscht, uns beglückwünscht und schüchtern ein Gruppenfoto mit uns eingefordert. Nach einer kurzen Verschnaufpause ging’s dann Richtung Cabanaconde zum Frühstück in irgendeinem Hinterstübchen und von da aus weiter nach Wayra Punku, einem Aussichtspunkt für die Inka-Terrassen, und weiter nach Maca, einem Dörfchen mit traditioneller Handwerkskunst (naja, Touri-Absteige, aber schön anzusehen). Danach ging’s zum Mittagessen nach Chivay, wo wir uns mit Sandwich und Frozen Yoghurt mit Quinoa-Pops, der sich als Liquid Yoghurt entpuppte (aber lecker!), versorgt haben.
Das bisschen Nahrung konnten wir in den Thermalquellen von La Calera gleich weiter von außen wärmen. Perfekt für die schmerzenden Waden… schönes, warmes Wasser und eine Stunde Auszeit. Ist kein Muss. Aber war lohnenswert. Gut gebadet und schnell wieder in der Sonne getrocknet, ging’s wieder in den Minivan zu den letzten Stopps der Reise, u.a. dem höchsten Aussichtspunkts der Tour, der Patapampa, von wo aus wir bei frischer Brise auf 4.900 Höhenmetern die Vulkane der Gegend bestaunen konnten – hier in unsortierter Reihenfolge: Chucuna (5.360m), Huaka Hualca (6.025m), Sabanacaya (5.926m), Ampato (6.288m), Chachani (6.075m) und der Misti (5.825m). Hui, bei sechs Vulkanen in unmittelbarer Nähe würde uns nicht nur im Falle einer Evakuierung mulmig zumute. Wie schon beim Arequipa-Blogartikel erwähnt, bleiben den Menschen gerade einmal 12 Sekunden zum Flüchten. Also quasi nix. Ob’s da überhaupt Evakuierungspläne gibt?
Allerletzter Stopp für Oooh’s und Aaaah’s war eine Wiese voller Alpacas, die in schönster Landschaft einfach brav ihr Gras futtern und für die Touris am Straßenrand posieren. Ein schöner Abschluss… genauso wie die Fahrt zurück entlang des Vulkans Misti, wüstenähnlicher Ödnis, an Vicuñas vorbei und wieder hinein in die Großstadt.
Nützliches:
– Touranbieter „PeruAndes“, 130 Soles p.P. für 3 Tage, inkl. Vollverpflegung und Guide (engl/span)
– Boleto Turistico muss für 70 Soles extra erworben werden; der Tourguide sammelt das Geld in der Regel im Bus ein und händigt einem sein Ticket danach aus
– Thermalbäder in Chivay für 15 Soles p.P. (in zwei Becken planschen)
– Schnelle Packliste: Zip-Off-Wanderhose, Fleecejacke, Merino-Langarmshirt, T-Shirt, Bikini oder Badeshorts, Handtuch, 2x Wechselunterwäsche, Toilettenpapier, Kartenspiel, Buch o.ä. für den Freizeitpart
– viel Sonnencreme mitnehmen!
– viel Wasser mitbringen, mind. 5 Liter (vor Ort für Spitzenpreise von 15 Soles [ca. 5€] für 2 1/2 Liter erhältlich)
–> während des Essens gibt es keine Drinks, maximum Coca-Tee, deshalb viel, viel Wasser!
– Stirnlampe mitbringen; Elektrizität nur eingeschränkt vorhanden
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