Wenn wir schon in so luftigen Höhen sind, die uns nicht ganz schwindelfrei bleiben lässt (La Paz liegt immerhin auf 3.600 Höhenmetern), dann doch bitte richtig schwindelig; und zwar vor Ungläubigkeit!

Denn DAS Spektakel schlechthin sind die „Kämpfenden Cholitas“: indigene Frauen, die in traditioneller boloivianischer Kleidung gegeneinander wrestlen. Was wir von unserer Reisefreundin Corinna noch als Tipp kurz vor ihrem Heimflug auf den Weg bekommen haben, entpuppte sich als echtes Spektakel. Nun sind wir beide in der Hinsicht eh etwas sonderbar, denn auch in heimischen Gefilden stehen wir auf Wrestling! Umso gespannter waren wir auf das Ereignis und haben gehofft, nicht einem völligen Touri-Nepp verfallen zu sein. Aber sogar auf Wikipedia findet man die Cholitas mit einem Beitrag, der einiges an Hintergrundinfos liefert.

So wurden die Cholitas als Publicity-Fänger ins Boot geholt und sollten – da der Stadtteil El Alto vorwiegend aus Aymara– und Quechua-Einwohnern besteht – auch im traditionellen Gewand auftreten, also mit geflochtenem Haar, Hut, bunten Tüchern und mehrlagigen Röcken. Die Sonntags-Show schauen sich mehrere hundert Leute an; die Donnerstags-Show sei wohl etwas ruhiger. Tickets gibt’s in quasi jedem Hostel oder aber vor Ort im Multifunktionszentrum im El Alto.

Laut einem New York-Artikel aus dem Jahr 2005 verdienen die Mädels rund 13 USD für jede Show; alle haben daneben noch andere Jobs. Auch ein cooler Fun Fact: Die Cholitas haben es 2006 sogar durch einen Kurzfilm aufs Sundance Film Festival geschafft! Hier findet ihr einen Trailer zum Film.

Nun aber zu den Facts und Showhighlights:
Beginn: Sonntag um 17:00 Uhr
Ende: gegen 19:00 Uhr
Kosten: 90 BOL
Services: Abhol- und Bringservice mit dem Bus ab/zum Hostel / Popcorn & Softdrink / Souvenir / „VIP“-Plätze auf Plastikstühlen in vorderster Reihe
Gut zu wissen: Das Wrestling ist kinderfreundlich und natürlich eher für die Einheimischen gedacht. Alkohol darf also – wie in ganz Südamerika bei öffentlichen Events – nicht mitgebracht bzw. konsumiert werden.
Tipp: Es ist kalt in der Halle! Viele Schichten anziehen!

Nach etwas hin und her mit unserem Abholservice (der eine Bus hatte nur noch zwei Plätze, wir waren aber zu siebt), ging es etwas verspätet im super alten „Ersatzbus“ weiter, der sich die Höhenmeter nach „El Alto“ hoch gequält hat. Die Tickets bezahlt man direkt, wenn der Abholservice kommt, und sollte sie unbedingt aufbewahren, da man diverse abtrennbare Schnipsel auf dem Ticket hat (1x Snack / 2x Toilette / 1x Bustransport). In der Halle angekommen, konnten es sich die allesamt europäische Touristenhorde dann auf den Plastikstühlen bequem machen. Die Einheimischen saßen etwas weiter hinten auf den Holztribünen. Wir haben uns zu einer bolivianischen Familie auf der Holztribüne dazugesellt und uns unsere Cola/Sprite mit Popcorn und das Souvenir (Cholita-Schlüsselanhänger) abgeholt.

Der Hunger war aber doch größer und so haben wir uns für 10 BOL jeder noch einen Hotdog gegönnt. Die Show ging bereits los, denn Männer in ulkigen Kostümen betraten nach und nach den Ring – mal mehr, mal weniger professionell. Unsere Highlightrunde bei den Männern waren „Die Fliege“ versus „Blauer Led Zeppelin-Typ“. Aus einer Fliege wurden nämlich ganz bald schon zwei und haben ihn natürlich mit dem Fliegen-Finish Move plattgemacht. Es stellte sich beim Abdanken des Mannes in Blau mit Gesichtsverzierung heraus, dass er der Papa der Familie hinter uns war. Die Kiddies haben sich super gefreut, als es zum Abschied noch ein Küsschen gab. Familienevent eben.

Dann endlich kamen die Ladies und haben eine Show geliefert, die keinen auf den Stühlen bzw. Rängen hat ruhig sitzen lassen. Wie im Wrestling üblich, kam es natürlich immer Good Girl und Bad Girl, beide mit phänomenalem Intro. Die ersten im Ring waren ein blutjunges Geschwisterpärchen (?) und eine reifere Lady mit Lederjacke, die die israelischen Jungs aus der ersten Reihe verzaubert hat. Die ging bei den Mädels ziemlich zur Sache – an den geflochtenen Haaren ziehen inklusive. Der Schiedsrichter war natürlich super parteiisch und wurde grandios ausgebuht. Hier sind die Schieris Teil der Show und werden super theatralisch vom Management weggeprügelt, damit der „Gute“ über das „Böse“ siegen kann; also der andere Schiedsrichter. Natürlich haben am Ende die Mädels gewonnen, nach vollem Einsatz aller Wrestlingfrauen, die sich mit der Lederjackentante angelegt haben. Nice!

In der nächsten Runde kämpften „Roter Rock“ (Gut)  gegen „Blauer Rock“ (Böse). „Blauer Rock“ hatte unsere Party-Israelis aus der erster Reihe abgeknutscht und bezirzt und dann ging’s rund. Rotröckchen musste ganz schön dran glauben und wurde mit so ziemlich allen Gegenständen beackert, die sich durch Wurfeinladen im Ring befanden. Wasserflaschen, Mandarinenschalen, Brotreste; selbst den Schuh von „Blauer Rock“ hatte sie als Schnüffelladung im Gesicht. Wir immer natürlich verlief alles mega unfair, der böse Schiedsrichter half Blaurock, wo immer es ging und Rotrock konnte sich nur schlecht befreien. Am Ende siegte mit viel Furore Blaurock… aber unter Buhrufen versteht sich.

Fulminant, wenn nicht sogar DAS Highight des Abends, war der Auftritt von Orange-Bolivian Spice Girl (OB) gegen Pinkie (P). OB hat P ganz schön zugerichtet und sogar von der Bühne ins Publikum geschmissen. Permanent hat sie P mit Wassermengen aus den diversen im Ring verstreuten Wasserflaschen durchnässt und den schweren Metallmülleimer auf sie geschmissen. Auch die Mandarinenschalen-Attacke auf OB aus dem Publikum (selbst die alten, bolivianischen Omis waren inbrünstig dabei!) brachte nichts; es musste eine Deeskalation seitens anderer Wrestler, viel Mikro-Beschimpf-Blabla und Management-Aufblaserei her. Am Ende ging Spice Girl patzig und hoch emotional von der Bühne.

Das Ende der Show bestitten die Männer, gestartet von Goldglitzer-Elvis, der sich eine Dame aus dem europäischen Publikum erwählte, zu ihm in den Ring zu steigen, um einen erstklassigen Mittelgewichts-Striptease mit Bauchansatz zu genießen. Mehrere Kleidungsstücke weniger und etwas Schamgefühlsverlust später durfte Touristengirl wieder auf ihren Platz und die anderen, nicht weniger interessant kostümierten Wrestler betraten den Ring. Einige davon mit Reißzwecken-Atrappen, Stacheldrahtkeule, Stuhl, DVD-Recorder (?!) und Käsereibeisen ausgestattet. Es war klar – das hier sollte das blutige Grande Finale werden. Uns ging es – im Gegensazu zu den Girls, die absolut alles gegeben haben – hier etwas zu drunter und drüber, lag doch etwas 7 Minuten später Striptease-Elvis kunstblutüberschmiert (die Käsereibe trieb ihr Unwesen) und angeblich nicht mehr atmend mit Reißzwecken im Rücken (naja, not really) leblos auf dem Boden, woraufhin seine Wrestling-Buddies „Médico, médico“ brüllten und die „bösen“ Wrestler nochmal herzhaft nachtritten. Mit viel Tamtam wurde er dann „notversorgt“ und von der Bühne getragen. Seine Buddies mussten natürlich die Ehre ihren zugerichteten Blutsbruders verteidigen, woraufhin alle den Ring stürmten, es ziemlich unübersichtlich wurde, aber natürlich die „Fliegen“ das Match für sich entschieden. Bäm! Was für eine Show!

Jetzt noch Posieren mit den Wrestling-Stars und schon hatte man die perfekte Nachmittagsunterhaltung!

Hier nun die Bilder – wir sind begeistert!