Oh, was wurde uns nicht alles über Bogotá in Hostels erzählt: „Och, langweilig. Macht nicht länger als einen Tag.“ – „Unspektakulär, nur ein Durchreiseziel.“ Also haben wir nur wenig Zeit eingeplant und würden es nie wieder machen, denn: Bogotá ist toll!
Alles begann mit unserer Ankunft am internationalen Flughafen, wo wir uns wieder einmal für ähnlich wenig Geld wie mit dem Bus eine Nachtfahrt in eben jenem Bus erspart haben. Aus der Hitze Cartagenas kommend, war Bogotá eine Klima-Überraschung.
Wieder Fleecipulli-Wetter, was für uns wie ein Segen schien nach Schwitzen ohne auch nur eine Bewegung. Unser Hostel in der Nähe der Zona Rosa (sicheres Ausgehviertel mit vielen Shops und Kinos) war der Knaller: 82hostel. Können wir nur weiterempfehlen… allein schon der MacGyver-Klorollen-Moment und die „Evolution des Menschen zum befreiten Backpacker“ an der Wand… herrlich. Der Rezeptionist war Argentinier und super freundlich und die Betten super bequem! Wenig später kamen wir mit knurrenden Mägen zur Rezeption, wo uns Mr. Argentina das Lokal gleich gegenüber empfahl. Ein Italiener, der seinen Namen wirklich verdient hat! Südamerika wollte sich wohl an seinem vorletzten Tag vor Abreise nochmal von seiner besten Seite zeigen: so aufmerksamer Service und soo leckeres Essen. Björns Lasagne war ein Gedicht, Maikes Spaghetti Carbonara eine Sahnebombe und Lenas Burger mit Pommes saftig und knackig! Prall gefüllt mit gutem Essen erinnerten wir uns an die guten Betten im Hostel… logo, erstmal Mittagsschlaf.
Der ging natürlich wesentlich länger als erwartet, woraufhin wir abends nochmal loszogen, um wenigstens ein bisschen was von der Gegend gesehen zu haben. Und es war legen… – wait for it – …dary! Wer hätte bitteschön vermutet, dass Bogotá mit so vielen Bars, Cafés, Clubs und Shops in einer Ecke auftrumpft? Wir waren verloren im Window Shopping und People Watching. Alle schick gekleidet, gerade im Afterwork-Modus noch ein Bierchen oder Weinchen mit dem Kollegen oder der Freundin trinken, dazu Tapas, Snacks oder gleich eine dekadente Version der hier so typischen Arepas (Maispfannkuchen, meist mit Käse bestreut). Wir fühlten uns in unserem halben Trekking-Outfit natürlich chronisch underdressed, aber für ein selbstgebrautes Bier im BBC (der Bogotá Beer Company) hat’s dann doch gereicht. Björn hat unfreiwilligerweise noch einen Schuh geputzt bekommen, weil er den Schuhputzer nach dem Weg gefragt hat während seine Mädels bei Pull&Bear gestöbert haben. Schwups, kam ein bedröppelter Björn in den Laden und meinte „Määäädels, wo ward ihr denn?!“, zeigt auf seinen linken Schuh und erzählte von seinem Versuch, dem Mann klarzumachen, dass er kein Geld bei sich hätte „No, señor, en serio, no tengo dinero!“ – Daraufhin blieb es bei nur einem geputzten Schuh. 🙂 Unser Running Gag seitdem…
Der nächste Morgen startete mit einem fantastischen Hostelfrühstück und unserem Versuch das Bussystem von Bogotá zu durchschauen. Wir hatten uns vorab alle Linien hin/rück vom Rezeptionisten notieren lassen und sind frohes Mutes in die morgendlichen Rush Hour-Schlangen hineingelaufen. Nur, wo fährt denn gerade unsere Nummer ab? Ein Wirr Warr, das sich erst viel später auflöste. Aber einmal durchschaut, ist das Bussystem echt leicht. Und wie auch in Medellín haben die Busse ihre eigene Fahrspur, die für Autos gar nicht erst zugänglich ist. Clever gemacht.
Ein freundlicher Señor hat uns dann noch zum Goldmuseum begleitet, weil sich uns anhand der Karte nicht erschloss, wo wir hinlaufen sollten. Einfach ein super freundliches Völkchen. Nur, was fehlte? Jede Spur von der Free Tour. Einen Zeitungsverkäufer ansprechend nach der korrekten Adresse gefragt und weiter zum Plaza de Bolivar, das Herzstück der historischen Altstadt, wo außer Tauben und ein paar Polizisten, die uns ihr Polizeimuseum schmackhaft machen wollten (wie skurril ist das denn, bitte?!) keine Spur von der Free Tour war.
Etwas geknickt und sichtlich unhappy sind wir zurück zum Ausgangspunkt und haben unsere Laune mit einem kolumbianischen Kaffee und letzten Souvenirkäufen wieder gehoben. Mit neuer Kraft sind wir dann im Museo del Oro hängengeblieben und haben 1h lang Gold aus diversen Jahrhunderten bestaunt. Danach sind wir Mittagessen gegangen im Restaurante Vegetariano Boulevard Sésamo – eine echte Entdeckung und voller Kolumbianer. Wir hatten eine Mischung aus einem Berg an Salat, Suppe (danach waren wir eigentlich schon satt), Papaya- oder Maracujasaft, Dessert und einer großen Hauptspeise (Karottenrisotto, Tofubraten an Gemüse und Reis, Nachostapel mit leckerer Soße)… es war so viel Essen, dass wir die Hälfte für abends haben einpacken lassen. Und ziemlich günstig noch dazu.
Mit vollen Wänsten wollten wir unseren letzten Tag auf südamerikanischem Boden richtig ausnutzen und haben was gemacht? Richtig! Wir sind ins Polizeimuseum spaziert. Das ist gratis und wird als makabres, äußerst belustigendes Spektakel im Reiseführer verkauft. Und in der Tat hatten wir die beste Zeit dort! Die Polizisten konnten allesamt Englisch (absolutes Novum!) und sind uns allesamt auf Schritt und Tritt gefolgt. Was uns erst ein mulmiges Gefühl gab, stellte sich als falsch heraus. Sie wollten einfach jedes ihrer Ausstellungsstücke erklären! Ohne Witz! Pablo Escobars goldverzierte Harley (der Drogenboss von Medellín) durften wir erst bewundern, wenn wir auch wirklich jeden anderen Raum durchschritten haben, wo wir wieder mit den gleichen Worten wie schon am Eingang begrüßt wurden „Es ist so schön, dass ihr unser Museum und unser Land besucht! Ihr seid immer wieder herzlich willkommen! Erzählt euren Freunden von Kolumbien und von Bogotá und kommt wieder!“ Und sie meinten es wirklich ernst. Es war als würde uns Südamerika wirklich noch seine stolzen Bewohner präsentieren wollen. Dass es ausgerechnet die Polizei war, hatte etwas leicht Komisches und überhaupt mussten wir uns das Lachen permanent verkneifen. So war ein Englisch-Spanisch-Missverständnis am Anfang, die Einführungsrede eines junges Polizisten, der meinte „1st and 2nd floor is for ladies also; 3rd and 4th floor for gentlemen“… und die emanzipierten Frauen in uns konnten gar nicht fassen, dass es uns anscheinend nicht erlaubt war die oberen Stockwerke zu betreten. Wir haben also fröhlich vor uns hingewitzelt, was der Polizist überhaupt nicht verstand, selbiges nochmal wiederholte, bis uns dämmerte, dass er lediglich die Toiletten meinte. Oje, Fettnäpfen-Alarm. Aber lustig war’s!
Als wir gerade an der Waffenausstellung der letzten Jahrzehnte vorbeigeschritten sind, wurde Lena von einem ebenfalls jungen Polizisten animiert, sich etwas über die Polizei-Uniformen damals und heute erklären zu lassen. Wieder mal urkomisch das Ganze, aber man muss ja dem Polizeistaat als Gast Respekt zollen, also fiel uns nicht im Traum ein, den Herren zu unterbrechen. Wir haben ihn dann aber doch gefragt woher sein gutes Englisch kommt und er meinte, er möge Sprachen, wolle eigentlich Lehrer oder Professor werden und trete hier nur seinen Zwangsdienst an. Er sei dem Museum zugeteilt worden und sei Hilfspolizist wie alle anderen auch. Er hätte keinen Dienst an der Waffe und würde nur Polizeipräsenz auf den Straßen zeigen, aber könne außer Wegbeschreibungen nichts weiter tun. Spannend! Wir haben uns immer gewundert, warum so viele junge Männer unbedingt bei der Polizei arbeiten wollen, schließlich ist das im drogen- und rebellengebeutelten Land echt kein Zuckerschlecken. Aber natürlich MÜSSEN sie ran! Wenn man studiert hat oder will nur 1 Jahr. Ansonsten 1 1/2 Jahre. Der AHA-Effekt war groß und wir haben ihm auf seinem Weg zum Englischlehrer alles Gute gewünscht.
Natürlich gab’s noch ein nettes Abschlussbild mit den freundlichen Herren in Uniform, dass danach alle anderen Besucher zum Nachahmen animiert hat.
Nach diesem Tageshighlight schlenderten wir weiter durch die hübsche Altstadt und blieben im kolonialzeitlichen Candelaria-Viertel noch kurz in drei weiteren Museen hängen: im Casa de Modeda (Münzmuseum) mit seinem hübschen Innenhof, im Museo de Arte Moderno, wo wir nur den Kunstshop unsicher gemacht haben und im Museo Botero, das uns mit seinen dicken Frauenfiguren begeistert hat. Fernando Botero ist mit seinen molligen Menschen so ziemlich in jeder Kunsthandwerksecke zu bewundern und ist berühmt für seine dicke Mona Lisa. Im Museum befinden sich ingesamt 123 seiner eigenen Werke, inklusive Gemälden, Skulpturen und Zeichnungen. Die dicken Skulpturen kannten wir schon aus Medellín. Und wem das nicht schon künstlerisch genug ist, legt seinen Museumsgang ein und bestaunt Werke von Picasso, Chagall, Miró, Dalí, Renoir, Matisse und Monet. Natürlich war das alles ganz schön viel Input für einen Tag und demensprechend fertig waren wir. Noch einen Cappucchino im hübsch eingerichteten, hippen Café in der Calle 5 und dann zurück zum Bus und ab zum Hostel. Auspacken, umpacken, einpacken, Taxi zum Airport nehmen, Ciao sagen und ab in die Staaten. Disneyland ruft! Lena hatte einen Flieger, der einen halben Tag später über Atlanta nach L.A. ging, also sahen wir uns alle in LAX wieder. Juhu!
Ciao Südamerika and now welcome to the U.S.A.!
PS: Wir meinen es ernst – falls ihr jemals nach Bogotá kommt, plant mehr als nur einen Tag für die Stadt ein. Wir hätten gerne noch den Cerro de Monserrate bestiegen, eine Radtour entlang der richtig coolen Street Art-Spots gemacht (die war einfach überall und sooo kreativ, da kann Medellín einpacken!) und wären gerne nochmal in unserem hippen Viertel ausgegangen. Nächstes Mal, Bogotá!