Nach unserem eher mäßigen Islas de los Uros-Erlebnis, wo die Touris von einem Ausbeute-Ramschstand zum nächsten gescheucht wurden, haben wir uns erst recht auf Arequipa gefreut. Schon die Beschreibung im Reiseführer klang aufregend „das koloniale Arequipa ist von einer der wildesten Landschaften Perus umgeben: aktive Vulkane, heiße Quellen, Wüsten in großer Höhe und der tiefste Canyon der Welt“.

Mit dementsprechend hohen Erwartungen haben wir uns in den Nachtbus von Puno nach Arequipa gesetzt. Von der Firma „Cruz del Sur“, DER Busfirma für high-end Reisen, hatten wir vorher schon Gutes gehört, aber das Prozedere bis wir endlich im Bus saßen, war schon spektakulär. Zunächst war die große Überraschung, dass man vom Busbahnhof aus gar nicht hinaus zum Bus kommt, wenn man nicht vorher eine Art Bahnhofssteuer von 1,50 Soles p.P. bezahlt. Erst dann wird man durchs Gate gelassen. Vorher muss man aber noch den Cruz del Sur-Stand suchen und das zu verladene Gepäck wird gewogen, beschriftet und einem auch erst mit Abholticket am Ankunftsterminal wieder ausgehändigt. Ähnlich wie am Flughafen, nur ohne Fließband. Dann endlich durch das Gate, wartet die nächste Kontrolle auf einen: das Handgepäck wird durchleuchtet und auf Waffen, Drogen & ähnliches durchsucht. Damit fertig, geht’s zum nächsten Stopp (man steht inzwischen schon gefährlich nahe am Ziel: der Bustür): Ticket- und Passkontrolle! Verrückt. Noch dazu sind die Angestellten irre ungeduldig und drängen dich schon halb in den Bus… Dann endlich im Bus auf dem Sitzplatz angekommen, kommt kurz vor Abfahrt ein Mann mit einer Kamera und filmt jeden einzelnen Passagier mit dazugehörigem Sitzplatz. Nochmals wird der Name kontrolliert.

Dann ist das Theater vorbei, man hört sich eine Ansage an, loggt sich ins funktionierende WLAN ein (das sollen einem die deutschen Fernbusanbieter mal nachmachen!), die Stewardess serviert einem – wie im Flugzeug – eine Auswahl an Softdrinks oder heißen Getränken und zwischen fleischhaltiger und vegetarischer Mahlzeit konnte man schon vorab entscheiden. Es ist ausreichend Platz, alles ist neu und luxuriös. Nur irgendwann streikt die Kapazität der Toilette und sie wird geschlossen, was bei einem fast vollen Bus kein Zuckerschlecken ist. Sogar ein Umfragebogen wird verteilt wie zufrieden man mit dem Boardservice und der Qualität der Snacks sei. Soviel zu unserem ersten Buserlebnis in Peru. Eine ganz andere Liga als die restlichen südamerikanischen Länder.

Abends ins Arequipa angekommen, haben uns schon die lange Fahrt in die Stadtmitte und die vielen Lichter verraten, dass hier die Großstadt auf uns wartet. Der Busterminal ist solala, aber ein Taxi für 10 Soles (bei 4 Personen mit viel Gepäck OK) war schnell gefunden und wir nach einiger Zeit in unserer ruhigen Unterkunft nahe des Zentrums. Den nächsten Tag haben wir einem Frühstücksausflug zum San Camino-Markt gemacht und uns mit einem halben Liter frischgepressten Saft an einem der dutzenden Stände „gefüllt“. Wir hatten einen bunten Mix aus heimischen Früchten (die stehen hier auf Papaya, Chirimoya & Co.) für je 8 Soles mit Nachschlag. Danach noch ein frisch zubereitetes Avocado-Sandwich für 5 Soles und wir waren super satt für den restlichen Vormittag. Danach sind wir wieder zurück zum Hostel, um so leidige Dinge wie waschen und nähen zu erledigen. Maikes gerissene Stoffhose haben wir notdürftig versorgt (an einer anderen Stelle im Verlaufe des Tages jedoch neu gerissen) und auch der Unterwäschevorrat wurde – wie so oft – per Hand am Waschbecken mit Shampoo und/oder Seife wieder aufgestockt. Dank der Hitze Arequipas sind die Sachen in null-komma-nix wieder getrocknet. So, jetzt aber zurück in die Stadt!

Am eindrucksvollen Plaza de Armas entlang mit der mächtigen sillar-Kathedrale (typischer weißer Stein) sind wir in eine der Nebenstraßen eingebogen, um dort auf die täglich stattfindete Free Tour zu treffen (und unsere Hamburger Mädels, mit denen wir die letzten Wochen zusammen gereist sind). Die Sache war klar – den Input können wir gleich mitnehmen. Also rein in den Innenhof des Museo Santuarios Andinos, um bei Tourguide Beatriz etwas über das vor 500 Jahren geopferte Inkamädchen Juanita zu erfahren, die auf dem Gipfel des Ampato gefunden wurde und seitdem als „Juanita, die Eisprinzessin“ bekannt ist. In einem Nebenraum widmeten wir uns dann wohl DEM Highlight der Region, dem Colca Canyon – der zweittiefsten Schlucht der Welt mit 3.269 Metern. Und den ganzen Vulkanen, die teilweise noch aktiv sind. Beatriz erklärt uns, dass die Evakuierungszeit aufgrund der Nähe zum aktiven Vulkan Misti nur 12 Sekunden beträgt. Also sind die Bewohner quasi verloren.

Anschließend sind wir entlang kleiner Innenhöfe spaziert, haben uns eine Kirche angesehen inklusive Hochzeit (!). Danach wurde es kulinarisch und wir sind in die Santa Catalina eingebogen, um Arequipas Schokoladenschatz zu bestaunen: das „Chaqchao“. Hier wird die Schoki noch komplett selbstgemacht und die Aufmachung hat uns stark an heimische Berliner Szeneläden erinnert; viel in Holzoptik, ganz viel Tamtam rund ums Thema Kaffee und Zubereitung, gedeckte Töne, Liebe zum Detail und Holzkisten in allerlei Verwendungsarten. Also ein Schlemmerparadies, das wir bei einer Kostprobe Kakaotee (riecht besser als er schmeckt), Erdnussenergiebombe und Schoko-Ingwer-Cookie ausprobieren durften. Dort sollte die Tour auch enden und wir waren dankbar für den kleinen Geheimtipp. Auf der gleichen Etage gibt’s auch Craft Beer aus der Region und weitere, feine Spezialitäten. Maike hätte am liebsten den halben Schokoladen leergekauft… z.B. „Piscao“, einen Likör-Mix aus Pisco und Kakao oder die Quinoa-Pops-Schokoladentafel.

Wir springen jetzt etwas in Zeit und Raum: Da uns der erste Teil der Tour fehlte, haben wir diesen nach unserer Wanderung durch den Colca Canyon am vierten Tag nachgeholt. Hier also das Update von Teil 1:

Diesmal pünktlich und nach einem hervorragenden Müsli-Joghurt-Croissant-Kaffee-Erdbeershake-Frühstück im „Crepisismo“ in der Santa Catalina im Innenhof des französischen Instituts von Arequipa, standen wir vor der offiziellen Peru-Tourismuszentrale und wieder begrüßte uns Beatriz. Nach einem kurzen Intro, wer aus welchem Land stammt, ging es auch schon los Richtung „La Compania“-Kirche, die ein optischer Mix aus spanischen und Inka-Einflüssen ist. In dieser Kirche ist auch eine Abbildung des letzten Abendmahls zu sehen, wo Jesus und seine Kumpel ein in Peru traditionelles cuj verspeisen; also Meerschweinchen. 🙂 Vor einem der vielen Erdbeben gab es auch viele, wunderschöne florale Wandmalereien, von denen heute leider nicht mehr viel übrig ist. Ebenfalls spannend ist der Einfluss der Inka auf den Look des Altars. Statt Jesus prangt nämlich die Sonne in der Mitte. Denn der wichtigste Gott der Inka ist der Sonnengott; und die Spanier haben den Inka beigebracht, dass deren und ihre Religion so unterschiedlich gar nicht ist, denn die Sonne steht so hoch wie Gott hoch und mächtig ist. Demnach einfach ersetzt und für gut befunden. Ein weiteres, spannendes Detail ist, dass in der ganzen Kirche keine einzige Kerze zu finden ist, denn während der zahlreichen Erdbeben brannten soviel die Kirchen als auch die Kathedralen als Erstes immer lichterloh. Nun gibt’s den andächtigen Kerzenschein nur noch elektrisch. Beatriz hat uns auch aufgeklärt, warum Arequipa die „weiße Stadt“ genannt wird: anders als vermutet nicht wegen der weißen sillar-Gebäude, sondern wegen der „weißen“ Spanier. Denn zu seiner kolonialen Blütezeit war Arequipa von den hellhäutigeren Spaniern überschwemmt. Daher die weiße Stadt.

Auch ein Nice-to-know: Arequipa hatte früher seinen eigenen Pass, weil Chile während des Pazifik-Kriegs Lima eingenommen hatte und Arequipa so Hauptstadt wurde. Für kurze Zeit nur, aber immerhin. Sehr schön und einfach erklärt ist auch der Name der Stadt in der Sprache der Andenvölker, in Aymara: „Are“ – Vulkan, „quipa“ – hinter: Hinter dem Vulkan. Einleuchtend, oder?

Nach dem Kirchenbesuch haben wir bei einem alten Muttchen einen Abstecher zu ihrem mobilen „queso helado“ gemacht, also Käse-Eis, das aber nicht aus Käse, sondern Milch, Kokosnuss, Honig und Zimt besteht, Nach einer Kostprobe haben wir uns für 3 Soles (ca. 90ct) einen Plastikbecher voll gespachteltem queso helado gegönnt. Überhaupt war die Tour übersäht von Kostproben, denn auch schon im Schoko-Laden durften wir naschen. Wieder verschwanden wir einem der wunderschönen, kolonialen Innenhöfe und haben uns Inka-Symbole zeigen lassen: Cantuta – die Nationalblume, Texao – die typische Blume Areqipas (auf dem Land zu finden), die Muschel – stellvertretend für Sankt James Apostel, die Kakaobohne – Symbol der Inka, Traube und Engel – ebenfalls der Reihe nach symbolhaft für den Zeugungsakt eines Kindes. So will es zumindest eine Interpretation wissen. Vom Samen zur Teilung bis zur engelshaften Geburt. Mhh… lassen wir mal so stehen.

Bevor wir uns am San Camino-Markt von der Gruppe verabschiedet haben, um den zweiten Teil nicht erneut zu hören, haben wir noch allerhand über lokalen Spezialitäten erfahren: In sogenannten picanterias (ihr werdet es erahnen; die Arequipenos mögen es scharf) gibt es neben den typischen gefüllten Paprikas mit Bohnen, Ei, Mais, Fleisch, Karotten, etc. auch den berühmten chicha de chora (fermentierter Maissaft mit etwas Alkohol) und chicha morada (sehr süßer, roter Maissaft). Letzteren hatten wir ein paar Tage zuvor im „Hatunpa“-Kartoffelrestaurant probiert, das wir nur empfehlen können. (Übrigens ein Tipp des Blogs „A daily travel mate“). Die Peruaner würzen mit einer tomatenähnlichen Chilischote, je kleiner, desto schärfer. Uiuiui… Als Verdauerli empfiehlt sich der lokale Likör Anisado (44,9%), der auch gleich als Wetttrinken von zwei Jungs der Free Tour verkostet wurde. Danach wurde alles auf ex mit einem Chicha de Chora hinuntergespült. Um noch weiter von Essen zu sprechen, spazierten wir ein paar Blöcke weiter zum 140 Jahre alten San Camino-Markt, der für seine frischen Säfte entlang der – man es kann wirklich so nennen – „Saftmeile“ bekannt ist. Unbedingt probieren sollte man wohl den etwas teureren „Jugo Especial“ mit diversen Sorten Obst, Ei, Maca und Malzbier. Ebenfalls stadtbekannt ist der „blaue Stand“ in irgendeiner hinteren Ecke des riesigen Marktes, wo es Froschsaft zu trinken gibt; angereichert mit Wasser, Milch, Honig, Zucker, Maca und püriertem Frosch. Angeblich ein Wundermittel für ein gutes Gedächtnis, ultra gut funktionierende Nieren, mega viel Energie und männliche Potenz.

In der Heilpflanzen-Abteilung ist wohl der rauchende Gecko der Hit, denn die kleine Statue gilt als Glücksbringer, wenn man sie täglich mit einer Zigarette füttert. Nichts für Vergessliche allerdings. Sonst wird das mit dem Glück nichts. Ähnlich wie in La Paz gibt es wohl auch in Peru den Llama- und Alpaca-Babytrend: Man kauft sich ein getrocknetes Exemplar als moderne Opfergabe, damit die armen Kiddies weiter leben dürfen und benutzt sie beispielsweise, wenn man den Segen für sein neu erworbenes Grundstück haben möchte. Dazu buddelt man ein Loch, stopft das Alpaca-Baby hinein, macht ein Feuerchen und darf dann guten Gewissens sein Haus darauf bauen. Alte Tradition meets Moderne.

Ihr merkt schon, Arequipa ist ein spannendes Pflaster und spannend genug, um mindestens 2-3 Tage hier zu verbringen. Wir haben hautnah noch einige Demonstrationen miterlebt, wo die Menschen gegen die Machenschaften eines Bauunternehmens streiken, die an der Küste noch eine weitere Mine bauen wollen und so die ansässigen Bauern vertreiben, weil sie das Wasser und die Luft verschmutzen und damit die Ernte vernichten. Viel Helikoptereinsatz, ein paar Tote im Valle de Tambo und 35 Tage angekündigter Streik. Dazu viel Getrommel, Mikrofongebrüll und eine emotional aufgeladene Stimmung. Wer dem Großstadt-Tumult entfliehen möchte, dem raten wir einen Dreitages-Trip zum Colca-Canyon. Haben wir gemacht und sind mit tollen Eindrücken von Land und Leuten wieder zurückgekehrt.

Nützliches:
Nachtbus mit Cruz del Sur; je 59 Soles; 1 Mahlzeit, Decken; Busfahrt von 15:00 – ca. 21:30 Uhr
– Unterkunft in Arequipa in „El Albergue Espanol“, Peral 117, 25 Soles für ein Doppelzimmer mit Gemeinschaftsbad, Küche OK, Frühstück gibt’s besseres und günstigeres auf dem Markt, WLAN je nach Zimmer OK bis mau, nette Terrasse und freundliche Mitarbeiter
– Lecker: frische Säfte auf dem San Camino-Markt, Frühstück im „Crepisimo“ und Mittag im „Hatunpa“ (quechua für „große Kartoffel“), ein Kartoffelrestaraunt mit diversen Soßen und tollem süßen, warmen Quinoa-Crepe mit Stracciatella-Eis
– Nachtbus von Arequipa nach Cusco mit Oltursa; je 70 Soles, ca. 12 Stunden