Der Osten Boliviens hat einige Schätze zu bieten, die noch nicht so „ausgetreten“ sind wie im Westen der berühmte Madidi-Nationalpark.
Der Amboró Nationalpark mit einer Fläche von 4.425 km² liegt 2 1/2 Stunden nördlich von Santa Cruz, der größten Stadt Boliviens, und verspricht noch echtes Abenteuer. Die Tour, die man nur geführt unternehmen kann, haben wir bei Amboró Tours gebucht, einem Tipp des Lonely Planets. Es gibt aber tatsächlich einfach wenig Auswahl an Reiseveranstaltern, daher brauchten wir nicht lange suchen. Die relevanten Infos gab’s vorab über die Webseite, die einem absolut detailgetreu aufgelistet hat, was man braucht und wie die Tour abläuft. Wir konnten die Mitarbeiter sogar per What’s App anschreiben und haben direkt eine Antwort erhalten. Schon im Ablaufplan wurde deutlich, dass hier die Natur entscheidet wie der Hase hoppelt bzw. die Ameise krabbelt. Denn so hieß es beispielsweise, dass man den Guide im Dschungel bitten soll, ein Loch für einen zu graben, wenn die „Natur ruft“. Eieiei. Das konnte ja was werden!
Kurz zu Santa Cruz, dem Boxenstopp auf dem Weg in den Dschungel: Nix Besonderes, wenn man nicht massig Geld für weitere Sanddünen-Touren oder Eco Zoo-Resorts mit Planschen ausgeben möchte. Wir haben uns nur die paar Straßen um den Plaza angesehen und den Markt abgeklappert. Der ist sehenswert und offenbart viel bolivianische Lebensart. Da benutzt die Omi am Obststand schon mal die langen Haare ihres geflochtenen Zopfes als Zahnseide und das Muttis frittieren ihre Hühnchen (hier geht nichts über Hühnchen!) triefend nass in viel Fett währenddessen sie ihre Kleinkinder in der farbenfrohen Decke auf den Rücken geschnallt haben.
Wir haben im Santa Cruz Backpacker’s Hostel übernachtet, das erst frisch eröffnet hatte. Ein wenig merkte man dem Besitzer noch an, dass er ein Frischling in der Szene war, so beschallte er uns im Garten in der ersten Nacht mit schrecklicher Popmusik und packte uns anstatt in ein Doppelzimmer in ein 4er Dorm mit der Begründung, es käme ja niemand sonst aufs Zimmer. Hm. Na gut. Aber der tolle Swimmingpool, die komfortablen Glasduschen, das super WiFi und die umwerfenden Damen, die sich um unser Frühstück gekümmert haben, entschädigten für mangelndes Hostel Know-How. Dementsprechend haben wir uns in der Hängematte entspannt und dem Abenteuer entgegengefiebert.
AMBORÓ NATIONALPARK – MIT DEM KANU UND DER PFERDEKUTSCHE IN DIE WILDNIS
Am nächsten Morgen um 7:30 Uhr war es dann soweit: Der Minivan hat uns pünktlich vor der Haustür abgeholt, unsere Backpacks verladen (alles nochmal in Tüten einpacken, denn es ist feucht im Dschungel!) und uns zwei Stunden bis Buena Vista kutschiert. Unterwegs haben wir unseren Guide Miguel eingesackt und Jaqueline, die kleine Bolivianerin aus dem Tour Office hat uns noch mitbegleitet. Das arme Ding war so zart und hat immer so hart mit angepackt; wir wundern uns noch immer über die ganze Kraft.
Dann sind wir Richtung Mataraca gefahren und schon wurde der Weg schlammig. Wenig später, im feinen Regen, wurden wir an einem Fluss abgeladen, mussten unsere Trekkingschuhe gegen Flip Flops tauschen und rutschend zum Fluss waten. Dann haben wir alles ins Kanu verladen und wurden von einem Einheimischen, der hüft- bis teilweise brusttief im Wasser stand, mit dem Boot ans andere Ufer gezogen. Von dort ging es dann in das nächste Gefährt, die Pferdekutsche. Oder eher: ein Karren mit Holzbrettern. Wiederum wurden die Backpacks und die Gefriertruhe mit Essen für 3 Tage verstaut und los ging es mit unserer kleinen 15-jährigen Mariana, die die Pferde über Stock und Stein getrieben hat. Zwischendurch hieß es immer mal wieder absteigen, wenn es den Pferden bei An- und Abstiegen zu viel wurde. Durch den Fluss mit uns und die Anstiege hochbalanciert, wieder aufs Holzbrett, gut festgehalten und weiter geht’s. Die Tour mit den Gäulen hat sage und schreibe nochmal drei Stunden gedauert und dann waren wir am frühen Nachmittag endlich in der sich ankündigenden Wildnis.
Ein verlassenes Haus mit Unterschlupf und Feuerstelle. Sonst nichts. Nach einem kleinen Lunch mit Sandwiches (und so typisch liebevoll abgetrennten Toasträndern) haben wir uns daran gemacht, unsere Zelte aufzubauen und waren mehr als glücklich sie im Nachhinein unterm Dach aufgebaut zu haben. Denn die erste Nacht hat uns gleich massig Regen beschert. Der Tag war natürlich noch nicht um, denn eigentlich hatten wir außer großartigen Landschaften noch nicht viel Dschungel gesehen. Also haben uns Miguel und Jaqueline für ein Stündchen in den Wald entführt, wo wir nach kurzer Zeit zu einen Wasserfall mit natürlichem Pool kamen. Welch willkommene Abkühlung! Zwar hatte es über den Tag verteilt immer mal wieder geregnet, aber die schwüle, stickige Dschungelluft hat alle Sachen an einem kleben lassen. Und wir hatten den verwunschenen Naturpool ganz für uns allein – herrlich!
Überhaupt beginnt die Dschungeltour-Saison gerade erst im April/Mai und dementsprechend haben wir keine Menschenseele weit und breit getroffen. Frisch abgekühlt haben wir dann eine alternative Route zurück zum verlassenen Haus genommen und Björn hat sich dabei an der Liane probiert. Was denkt ihr: gut geschwungen?
Ziemlich platt vom langen Ritt und der Klima-Umstellung haben wir das Abendbrot bei Kerzenschein – logo, keine Elektrizität – relativ müde und flott genossen. Es gab ein bolivianisches Nationalgericht, nämlich „Fideo“. Ach, und die Kerzen waren ultra romantisch auf Dosenkonserven angerichtet; einmal mit heißem Wachs festgeklebt. 🙂
Noch gut eingesprüht für die Nacht gegen sämtliches Krabbeltier sind wir in unsere Zelte geschlüpft und sofort trotz lauter Dschungelgeräusche (lauter als am Tag!) eingeschlafen.
Tag 2 sollte mit viel Regen beginnen, was unsere Pläne, mit den Backpacks weiterzuziehen, über den Haufen geworfen hat. Stattdessen haben wir eine sechsstündige Wanderung querfeldein und mit teils steilen, matschig rutschigen Anstiegen zu einem Aussichtspunkt unternommen. Miguel ist dabei immer mit seiner Machete vorangegangen und hat uns große Spinnennetze, Gestrüpp und was-weiß-ich aus der Bahn geräumt. Wir sind – einer Sauna gleich – hinter ihm hergetrottet und haben gut gekeucht, um Schritt zu halten. Jaqueline hat die Gruppe hinten komplettiert und uns allerlei zur Flora und Fauna erklärt. Die schönen Ohrringe in dem Bild kommen übrigens aus dem Dschungel, genauer gesagt von der Sirairi-Frucht. Auf Empfehlung von Jaqueline ist Maike noch zum Marktstand einer Dame in Santa Cruz gegangen und hat sie für irre 5 BOL (ca. 80ct) erstanden.
Miguel hat uns u.a. die riesigen Ameisenstraßen gezeigt, wo emsig große Blätterbissen abgeknabbert wurden. Die ameisige Waldpolizei hat so ziemlich alles zerlegt, was ihr in die Finger kam, wie etwa Riesenheuschrecken und große Schmetterlinge. An diesem Tag haben wir die Affen leider nur gehört, aber nicht gesehen und konnten Puma-Spuren entdecken. Dafür haben uns die exotischen Vögel begleitet und viele, viele Insekten, die wir noch nie zuvor gesehen hatten. Auch dieser Tag endete mit einer feinen Abkühlung: einem super schönen, abgelegenen Wasserfall, hinter den wir laufen konnten. Das Wasser war noch kühler als am Tag zuvor, aber soooo erfrischend! Ein wirkliches Tourhighlight mitten im tiefsten Regenwald! Während wir gebadet haben, ist Miguel zurück zur Feuerstelle und hat uns seine Variante eines vegetarischen Essens gekocht: heißer Käse-Reis mit Salatteller. Sah aus wie Milchreis, hat aber durchaus geschmeckt. Noch müder als die Nacht zuvor sind wir wieder ziemlich schnell ins Zelt; zumal es eh nicht viel zu tun gab. Keine Elektrizität und vollkommene Dunkelheit ab 18:30 Uhr. Trotzdem haben sich Björn und eine weitere Teilnehmerin noch auf die nächtliche Taschenlampentour mit Miguel gewagt und Spinnen en masse gesehen. Für Maike kein wahrer Genuss; also alles richtig gemacht.
Tag 3 startete mit monsumartigem Regenfall, der einfach über Stunden nicht besser wurde. Also keine weitere 6 Stundentour, die eigentlich geplant war. Stattdessen abwarten, sprichwörtlich Tee trinken und auf die Pünktlichkeit unseres Pferdekutschen-Service gegen 13 Uhr hoffen, damit wir den ganzen Ritt wieder zurücknehmen konnten. Einen Miniausflug zu einer nahe gelegenen Lodge haben wir uns trotz Regenmassen noch getraut und dabei einen vollständig ausgehöhlten Baum „besucht“… da war der Parasit stärker als die Baumwurzel. Sehr beeindruckend.
Das Spannendste an diesem Tag war mit Abstand der lange Weg zurück in unser Hostel in Santa Cruz. Denn ungefähr auf der Hälfte der Strecke wurde unser Minivan von der bolivianischen Polizei kontrolliert, was zu einem echten Spaß werden sollte. Die sahen in uns Touris ein gefundenes Fresschen für etwas mehr Taschengeld; das wussten wir nur noch nicht als es hieß „alle aussteigen, Passkontrolle„. Natürlich hatten wir brav alle unsere Reisepässe dabei. Nur den bösen, bösen grünen Zettel, den man bei der Einreise bekommt… der lag im Hostel. Man hatte uns nur gesagt, man solle die Reisepässe dabei haben. Und dann begann auch schon das Schauspiel. Die zwei jungen Polizisten haben ein Riesen-TamTam darum gemacht, gaaaaanz langsam jedes Detail unseres Reisepasses kopiert (auch die unwichtige Zahlenfolge ganz unten – totaler Schwachsinn) und haben mega undeutlich und super leise mit uns gesprochen. Der Knaller war dann, dass sie uns nicht haben weiterreisen lassen wollen, und sie Interpol anrufen würden. Ob wir das denn wirklich wollen würden? Wir, immer noch begriffsstutzig ob der Irrelevanz des grünen Zettels (wo so ziemlich die gleichen Details vermerkt sind wie auf unserem Einreisestempel) waren uns keiner Schuld bewusst und meinten nur, dass er Interpol gerne anrufen möge… Denn es gibt ja sowieso keine Akte von uns als international gesuchte Verbrecher. Wozu der Aufwand also? Nur, dass nichts passierte.
Die beiden drucksten weiter stumm hinter ihren Stühlen mit unseren Reisepässen herum und es machte nicht den Anschein, als würden sie hier irgendwen anrufen, um das Problem zu lösen. Miguel zog Björn daraufhin zur Seite und dann dämmerte uns allen, worum es hier EIGENTLICH geht: Bestechungsgeld. Bolivianer mögen Polizisten nur mäßig, weil sie so korrupt sind. Miguel habe uns heimlich ausgedealt, dass wir pro Person zwischen 50 und 70 Bolivianos zahlen müssten, um hier irgendwie wieder loszukommen. Also hatte Björn als Mann in unserer Mädelsrunde das große Glück das auf 50 BOL p.P. verhandelte Geld heimlich im Hinterzimmerchen den Polizisten zuzustecken, woraufhin er sich noch eine „Standpauke“ anhören durfte, dass wir doch froh sein sollten, dass sie nicht Interpol angerufen hätten; das hätte echt Ärger für uns bedeutet, bla bla. Die ganze Zeit über mussten wir uns auf dem Weg zurück zum Auto, wieder mit unseren Pässen ausgestattet, das Lachen verkneifen bei so viel Dreistigkeit und Willkür, die uns da gerade passiert ist.
Unseren bolivianischen Guides war die Sache mega unangenehm und sie haben wild mit der Tourbüro-Zentrale in Santa Cruz telefoniert, die uns dann – wirklich, wirklich fair – das quasi geraubte Geld anstandslos zurückerstattet hat. Die Fahrt hat sich leider ziemlich gezogen, denn wir sind in einen dicken Stau geraten und haben uns nach 5-6 Stunden wirklich nach einer Dusche und einer Toilette gesehnt. Gegen 20 Uhr war das Abenteuer Dschungel & Korruption (fürs Erste, who knows?) dann vorbei.
Fazit: Wer das authentische, schwerst wetterabhängige Dschungelabenteuer sucht, ist hier gut aufgehoben. Den vom harten Holz der Pferdekutsche durchgerüttelten Hintern spüren wir auf alle Fälle immer noch…
Nützliches:
– Amboró Tours bieten 3-Tagestouren für 161 US-Dollar an (bei 4 Personen); inkl. Leihzelt, Leih-Isomatte, Vollverpflegung (pro Tag wurden uns 2l Wasser gegeben, die wir in unsere Backpacks verstaut haben), Guide, Transportmittel
– Tipp: Ausschließlich langärmlige, helle Kleidung tragen. Moskitos lieben dunkle Stoffe und viel Haut.
– Wir haben keine prophylaktischen Malaria-Tabletten genommen und uns geht’s immer noch gut.