Nordperu ist noch einmal ganz anders als der touristische Süden mit seiner Inka-Kultur. Hier ist das Land noch ursprünglicher, Touristen sieht man seltener, aber die Leute sind mitunter genauso herzlich.
Nachdem wir etwas Meeresluft in Huanchaco geschnuppert haben, wo Björn sich das erste Mal beim Surfen probiert hat, ging es für uns wieder ins tiefe Grün auf knapp 3.000 Höhenmeter. Die „Hauptstadt“ im peruanischen Amazonasgebiet Chachapoyas war unser Ziel. Mit dabei auch wieder Lena aus Nürnberg, die wir bei unserer Abfahrt aus Huaraz (wo wir die Kordilleren bewundern durften) um einen Taxi-Dreier gebeten hatten. Ein paar Tage später sahen wir uns am Busbahnhof in Trujillo mit dem gleichen Busticket Richtung Amazonas und derselben, gebuchten Unterkunft wieder. Unsere kleine Schicksalsgemeinschaft hat sich also zusammen getan und wir vermuten ernsthaft, dass Lena aus unserer beider Rippen entstanden sein muss – einfach die perfekte Symbiose. Vielleicht so etwas wie unser mutierter Zwilling?
In „Chaca“ angekommen, hat uns José in seinem Backpackers Hostel freundlich bei sich aufgenommen und wir haben seinen Rundum-Sorglos-Service genossen… „Ihr wollt eine Tour nach Kuelap? Na klar, hab ich im Angebot. Schaut mal, ich erklär‘ euch, was ihr seht und wo’s überall lang geht.“ Gebucht für ein Schnäppchen. Noch ziemlich fertig von unserer Nachtfahrt haben wir außer Nahrungssuche an Tag 1 aber nicht viel gebacken bekommen und haben uns nur abends nochmal herausgeputzt, um etwas schicker essen zu gehen. Denn es war tatsächlich schon der 24.05. – unser erster offizieller Hochzeitstag!
Wir haben also im „El Batan de Tayta“ lecker Amazonas- und Fusionsküche geschlemmt. Maike hat sich ans regionale „cecina“ auf Kartoffelsalatberg an Zwiebelsalat herangetraut (cecina = Trockenfleisch entweder vom Schwein oder Rind; dann wieder scharf angebraten serviert; wird nacheinander gesalzen, gewaschen, vorgetrocknet, geräuchert und getrocknet. Laut Wikipedia dauert der gesamte Herstellungsprozess mindestens sieben Monate. Cecina sei wesentlich dunkler als Schinken aus Schweinefleisch, der Geschmack sei kräftiger.) Gut geschmeckt hat’s in jedem Fall. Björn hat sich an die Chifa-Küche Perus getraut: Damit ist die Verschmelzung peruanischer und asiatischer Küche gemeint. Sah gut aus und schmeckte auch gut – vor allem die Sauce war ein Traum! Dazu „2 für 13 Soles“ promoción, nämlich Pisco Sour, und die Nacht wurde heiter. Den pink-roten Amazonas-Softdrink haben wir gleich auch noch mitprobiert (flüssiger Hubbabubba-Kaugummi); lohnt kein zweites Mal. Wer es ganz ausgeflippt will, kann sich auf der extreeeeem langen Cocktailkarte aus schwerem Holz den „hormigas“-Cocktail bestellen. Erhalten wird er Pisco mit Amazonas-Fruchtlikör und anstatt gezuckertem Glasrand findet er frittierte, essbare Ameise. Jepp, richtig gelesen. A.M.E.I.S.E.N.
Noch kurz ein paar Worte zum Ort selbst: Chachapoyas scheint zwischen den Bergen ein völlig surrealer Ort zu sein. Man glaubt so gar nicht, dass man sich im Amazonas befindet. Die Stadt ist klein, von geradezu niedlichem, kolonialen Charakter, versprüht echten Charme und ist angehäuft mit netten Lokalen, freundlichen Gesichtern und tollen Attraktionen in der Umgebung.
Hier haben wir uns auch gleich eines Abends in der ein Meter-Likörchen-Challenge probiert: Der Reihe nach wären das dann Mora (Brombeere), Maracuya, 7 Raices con Miel, Chuchuhuaci con Miel, Pur Pur, Guayaba, Leche (Milch), Café, Sauco (seeehr lecker), Aguaymanto. Danach ging’s uns dementsprechend gut und wir hätten es einfach dabei belassen sollen. Stattdessen sind wir weitergezogen in den Barbereich vom „El Batan de Tayta“, um mal wieder das Pisco-Angebot zu nutzen… Zwei Maracuja-Sour und zwei Rosé-Sour später ging’s uns schon zu gut (lieber beim Klassiker bleiben… mit Frucht schmeckt’s irgendwie zu sahnig-sauer). Und der Ausflug am Morgen darauf ging dementsprechend mit einem kleinen „Kätzchen“ los…
Weiterhin empfehlenswert ist das vegetarische Mittagsmenü im einzigen vegetarischen Restaurant der Stadt nahe des Markts: für sage und schreibe 5 Soles gibt’s Mais-Suppe, Kräutertee, einen üppigen Salat und ein Hauptgericht. Wir sind mehr als satt geworden.
An unserem zweiten Abend in der Stadt haben wir abends auch ein sehr süßes Spektakel gesehen: Ganz viele kleine Kinderchens sind mit ihren Lampions durch die beleuchtete Fußgängerzone gezogen und haben uns mit ihrer Kreatitvität beeindruckt. Es gab überdimensionale Minions, rosa Schweinchen, Superheldenlampions aus PET-Flaschen, Glitzerleuchtefische, und und und… Wäre nicht der viele Regen gewesen, hätte es sich hier noch locker ein paar Tage mehr aushalten lassen.
Die Amazonas-Region macht nur ca. 1% vom peruanischen Gesamttourismus aus, mit gerade mal 36.000 Besuchern im Jahr (Cusco hat allein 3 Millionen Besucher!). Und wo wir gerade bei Zahlen und Prozenten sind: Deutschland ist mit 95% Hauptkaffeeabnehmer aus dem Amazonas… der Peruaner selbst hat keine Kaffeekultur. Hier wird – wenn dann – Instantkaffee getrunken, das laut Aussage des Guides aus dem 20% Bohnen-Abfall einer Kaffeepflanze besteht (bei 1kg Bohnen, den eine Pflanze produziert). Also vorher überlegen, bevor ihr zu Nestlé & Co. greift. Sind nur die schlechten Kaffeebohnen. Der richtig gute Kram wird zu uns exportiert. Daneben wird im Amazonas viel Reis und Zuckerrohr angebaut. Spannend fanden wir auch, dass Lehrer hier wirklich, wirklich schlecht bezahlt sind und auch sonst kein großes Ansehen genießen. Da wollte die Regierung dann tatsächlich im Raum Chachapoyas helfen und hat den Lehrer Häuschen gebaut. Nur leider viel zu klein, denn auf die Bedürfnisse der Lehrer ist man nicht eingegangen (irgendwann mal Familie, ein Garten für Obst/Gemüse/Haustiere). Also blieben alle (!) Häuser leer. Ein Häuserfriedhof vorm Ortseingangsschild.
Aber nun zur Tour:
KUELAP – „MACHU PICCHU 2“ OHNE TOURISTEN
Die ehemalige Festung „Spitze des Berges“ (= Kuelap) der Chachapoya ist 500 Jahre älter als Machu Picchu bzw. die ganze Inkakultur und wurde auch 70 Jahre früher entdeckt. Der Monat Mai ist laut Aussage unseres Guides die beste Reisezeit, da es täglich nur max. 30 Besucher nach Kuelap gäbe. Fun Fact: Im Amazonas gibt’s die meisten erhaltenen Mumien überhaupt (ca. 210 Mumien). Ein Begräbnis fand damals übrigens gleich zweimal statt: Nach dem ersten Boden-Begräbnis wurde die Leiche zwei Jahre später wieder ausgebuddelt, die Knochen herausgeholt (der Rest konnte inzwischen brav verwesen) und dann in Höhlen gesteckt, da es näher zum Himmel war. Der Rest ging als „Dünger“ ja quasi wieder in die Erde zurück.
Kurz zur Geschichte, damit man „Kuelap“ besser versteht: Vor 280 Jahren besiedelten die Chachapoyas das Land und lebten bis ins 15. Jahrhundert hinein friedlich. Während dieser Zeit, etwa im Jahre 480 begannen sie das Dorf mitsamt Festung zu erbauen… bis zur Fertigstellung sind hat es sage und schreibe knapp 400 (!) Jahre gebraucht! Und wer kam dann? Logo, die Inka. Die haben dann mal gleich 60 Jahre lang versucht das Land zu erobern, was sich als schwieriges Unterfangen herausstellte, denn in dem Gebiet lebten 200.000 Leute. Und wer kam nach den Inkas? Doppel-logo: die Spanier. Und die Chachapoyas, die wenig Lust auf die Inka hatten, machten einen Deal mit den Spaniern, um die Inka zu vertreiben. Im Jahre 1574 wurde die Festung verlassen, weil die Spanier wollten, dass die indigene Bevölkerung näher an den Städten wohnte, um für die Spanier zu arbeiten. Warum sich die Bevölkerung nicht dagegen auflehnte, bleibt uns ein Rätsel.
Bis heute sind nur 15% der Festung restauriert und es kursieren immer noch diverse Legenden, welches Hüttchen genau welche Bedeutung haben könnte. Es gibt insgesamt 3 wichtige Eingänge zur Festung, die ca. 450 Häuser mit 3.000 Menschen beherbergte. Besonders ist, dass Sonnenauf- und -untergang auf den gleichen Ort scheinen. Die spitzen, ehemals heugedeckten Häuschen sind rund und 15m hoch, um so einerseits die Wärme zu halten (rund) und das Regenwasser effektiv ablaufen zu lassen (spitz). Die Stadt ist auf zwei Etagen gebaut: unten die Bauern, oben die „Upper Town“ mit den reicheren Leuten. Von 1843 bis 1986 war die Gegend komplett verlassen, weil Machu Picchu das Aushängeschild Perus war und das Interesse für eine weitere Stätte zu gering schien. Die erste Hälfte unserer Tour war noch super sonnig, aber urplötzlich zog sich der Himmel zu und wir waren mehr als nur klitschnass. Dementsprechend haben wir nicht undie komplette Festung durchlaufen können. Aber fürs Feeling hat’s gereicht und die Aussicht ist ebenso schön wie beim Machu Picchu. Und dickes Plus: Außer unserer Gruppe war da fast N.I.E.M.A.N.D.!
GOCTA-WASSERFALL – IM REGENWALD REGNET’S
Der Wettergott meinte es nicht gut mit uns. Aber was macht es wohl im Regenwald? Richtig, regnen. Dementsprechend ist unsere Bildauswahl etwas kleiner und der Lehrgehalt der Tour auf dem Minimum, denn unter unseren Ponchos haben wir von unserer kleinen Carmen nicht so viel verstanden. Also haben wir etwas nachgeholfen und das schlaue Internet befragt, was es mit dem dritttiefsten Wasserfall der Welt auf sich hat.
Der 771m tiefe Wasserfall birgt nämlich ein dunkles Geheimnis: Er wurde von den Chachapoyas gefürchtet und gemieden… das Geheimnis um den Wasserfall schützend. Deshalb gab es ihn lange Zeit auf keiner Landkarte. Der Mythos besagt, dass eine Sirene im Wasserfall wohnt – Mutter der Fische des Flusses und Hüterin eines Goldschatzes. Niemand solle sich in die Nähe wagen… eines der Opfer, ein Bauer, war nämlich spurlos verschwunden – wohl verwandelt in einen Felsen – sich seitdem mit der Schulter gegen die Wasserfallmengen wehrend. Entdeckt wurde er dann von einem Deutschen im Jahre 2002 auf der Suche nach Trinkwasser. 2006 kehrte er zurück mit einem Vermessungsteam und bestimmte auf 13,5m genau den Falltiefe.
Fürs Nachempfinden unserer Matsch-Wassermengenroute – die Schuhe haben 4 Tage zum Trocknen gebraucht – hier die passenden Bilder.
Nützliches:
– 30 Soles p.P. für die Kuelap-Tour; Anbieter Turismo Explorer
– 25 Soles p.P. für die Gocta-Wasserfalltour mit lokalem Guide
– Chachapoyas Backpackers Hostel in der Jr. Dos de Mayo N° 639,
– Fruchtlikör-Shots: 10 Shots für 12 Soles, „La Reina“ – den rimbo bestellen
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