Jetzt sind wir inzwischen schon eineinhalb Monate in Nordamerika. Zeit, um sechs Monate Südamerika etwas zu reflektieren…

Ihr bekommt also unsere schönsten Bilder aus sechs Monaten Backpackerleben zu Gesicht und wir verraten euch unsere Lieblingsreiseländer.

TOP 3 REISELÄNDER:

1) Chile

– unser erstes Reiseland und so abwechslungsreich, dass es uns von den Socken haut!
Wüste, Vulkane, Meer, Seen, Gebirge, Weingebiete, Fjorde und Gletscher; einfach alles komprimiert in einem Land!
– Landeshighlights: Vulkan in Pucón besteigen und per Schlitten wieder runter (der, der wenig später ausbrach) und Patagonien als Ganzes; allen voran Torres del Paine und die Marmorhöhlen (ein Riesenbootsspaß!)
Wermutstropfen: die teuren Preise. Ohne unseren Zeltkauf (unser „Johnny Müller“, benannt nach dem Verkäufer im Baumarkt) und selbst kochen auf den Campingplätzen wäre es nicht möglich gewesen 4-5 Wochen mit Backpackerbudget zu reisen

2) Peru

– hier sei zuerst das Essen erwähnt! Alle Kilos, die wir uns durchs Trekken und Zelten in Chile/Argentinien und rar gesähte leckere Speisen in Bolivien zwangsläufig abtrainiert haben, kamen hier wieder drauf! Der Food-Bericht folgt noch…
– das Land der Inka hat uns mit seinem Kulturschatz verzaubert: Cusco und das heilige Tal, Machu Picchu (trotz Touris überwältigend!) und die Kolonialperle Arequipa mit dem Colca-Tal (die Canyon-Tour solltet ihr nicht verpassen!)
– Peru ist für Südamerika-Einsteiger ideal; freundliche Leute, ein Spanisch, das man auch versteht (wir schielen mit gerümpfter Nase nach Chile und Argentinien), viel zu entdecken (z.B. die höchsten Berge der Anden: Huaraz als Bergparadies!), die komfortabelsten Busse des Kontinents, günstige Preise und Touristeninformationen, die ihresgleichen suchen (da können sich weltweit alle ein Scheibchen abschneiden)
Wermutstropfen: die Höhe. Fast jeder Ort liegt durch die Anden über 2.000m hoch. Wären wir nicht gerade aus Bolivien gekommen, wo wir ab und an auf 5.000 Höhenmetern waren, hätten wir die Akklimatisierung nicht so schnell geschafft. Ort mit der höchsten Schnappatmung: Huaraz und die Kordilleren.

3) Kolumbien

– der Überraschungshit neben Bolivien! Stand nicht unbedingt auf unserer Liste bis uns jeder Traveller, der uns begegnete, vom Land vorgeschwärmt hat. Also ab, hin da! Und wir können uns der Begeisterung nur anschließen!
– das Land hat so viele Grüntöne, dass uns ganz schwindelig wurde! Vom Nebelwald bis zur Karibik! Kolumbien ist so vielfältig und bunt!
Wermutstropfen: die Sicherheit. Leider derzeit wieder präsenter als noch vor ein paar Monaten. Vor allem im Süden ist Vorischt geboten. Die Militärpräsenz mit Sturmgewehren auf den Straßen ist gewöhnungsbedürftig. Und auch die Geschichte des Landes zu verdauen, kann einem den „Appetit“ auf das Weiterreisen nicht verderben (das wäre zu krass), aber schwerer machen.

Wir bedauern, dass Ecuador es nicht hierhin geschafft hat. Einfach zu viel Regen. Wir konnten nicht viel machen, da el niño (Wikipedias Erklärung: das Auftreten ungewöhnlicher, nicht zyklischer, veränderter Strömungen im ozeanographisch-meteorologischen System des äquatorialen Pazifiks) uns die eigentliche Trockenzeit vermiest hat. Gerne hätten wir ganz viel Outdoorspaß in Baños gehabt, aber nur Regen (also nur eine Fahrt im chiva-Partybus und ein Ausflug in die Therme). Auch Cuenca: viel Regen und ungewöhnlich viele, geschlossene Geschäfte und Museen. Der Quilitoa-Loop: unberechenbares Wetter und wenig Neues, das wir nicht schon von den Ländern davor kannten. In Ecuador hatten wir das erste Mal die Befürchtung, dass jetzt der „alles schon gesehen, muss ich nicht nochmal machen“-Moment kommt. Das ist natürlich dem Land gegenüber nicht fair, denn schließlich ist nur die Reihenfolge der besuchten Länder daran Schuld… es hätte genauso gut Bolivien treffen können. Kommen wir zum Plus: Die Pazifikküste hingegen können wir wärmstens weiterempfehlen zum Surfen, Entspannen oder Tauchen lernen (und wenn das Timing stimmt: zum Buckelwale beobachten). Der Norden rund um Mindo ist ein Spielplatz für Schokoholiker und Adrenalinjunkies und je nach Budget sind natürlich die Landeshighlights Galapagos und der Yasuni-Nationalpark (besser bekannt als Amazonas-Dschungel).

Auf Nummer 4 unseres Rankings hingegen hat es Bolivien geschafft, das nach den eher westlich geprägten Ländern Chile und Argentinien ein krasser Wechsel zu Südamerikas Ursprüngen war. Traditionell gekleidete Frauen, die auf den Märkten alles verkauften, was ihr Land hergab; die größte Salzwüste der Welt, Geysire, Vulkane, Dschungel. Das ganze Paket! Dazu Regenwald und riesige Coca-Plantagen. Der Tititacasee (definitiv die schönere Seite verglichen zu Peru) und Sucre, ein kolonialer Wohlfühlort. Und wieder bestätigt sich: Wenn man keine Erwartungen hat, ist das Land am schönsten. Wohingegen Länder mit hoher Woaaah-Rate (vor allem Ecuador) dann nur enttäuschen können. Man muss mit Armut umgehen können, wenn man Bolivien bereist und den extrem zurückhaltenden Menschen. Schüchternheit ist hier groß und der Servicegedanke noch nicht angekommen. Erwartet kein „darf’s noch was sein?“, geschweige denn überhaupt die Frage nach „was kann ich Ihnen bringen?“… das Maximalste der Gefühle ist eine Karte und das Essen. Kein Volk der Lächler und Kommunikativen. Aber so anders, dass es nur faszinieren kann. Die schlimmsten Busse (keine Klos) und die aufregendensten Straßen (wir haben überlebt!) und unberührte Natur. Für uns ein Must-Do in Südamerika!

Welches Land fehlt hier wohl noch und ist leider unser Schlusslicht? Korrekt, Argentinien. Eigentlich kann Argentinien aufgrund seiner Naturschönheiten im Seengebiet und in Patagonien nicht viel falsch machen, dachten wir. Doch, kann es. Perito Moreno (einer der wenigen wachsenden Gletscher), El Chaltén (wandern bis der Arzt kommt) und Bariloche (das beste Eis der Welt, die sieben Seen und viiiel Schokolade) hin oder her: Argentinien war anstrengend und teuer. Die Währungskrise hat das Geld beschaffen kompliziert gemacht. Immer war die Rede von „da kriegst du mehr für deinen US-Dollar!“, „auf keinen Fall Geld bei der Bank abheben, du musst irgendwie USD ins Land bringen!“ omnipräsent. Natürlich wollten wir nicht mit so viel massig Bargeld ins Land reisen und mussten beim Länderhopping von Chile nach Argentinien und zurück immer bedenken, in Chile genügend USD gegen chilenische Pesos zu tauschen, um diese wiederum im Argentinien gegen argentische Pesos zu tauschen. Eine Riesenrechnerei und einfach nur ätzend. Abgesehen vom Geld sind viele Argentinier laut und rücksichtslos (zumindest auf den Zeltplätzen… an Schlaf war in El Calafate und teilweise in El Chaltén nicht zu denken – die höflichen chilenos sehnten wir uns schnell zurück). Es gibt für alles eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (z.B. beim Bäcker eine Nummer ziehen; bei Dame 1 bestellen und Kassenbon bekommen, bei Dame 2 Gebäck abholen, bei Dame 3 bezahlen… irre!).

Den Deutschen in uns dreht es den Magen um bei so viel Ineffizienz und Zeitvergeuderei! Und Argentinien hatte im Austausch mit anderen Travellern und unseren eigenen Erfahrungen mit Abstand die höchste Überfallquote. Irgendwo kam irgendwem immer etwas abhanden. Buenos Aires war am schlimmsten. Da konnte man den Raubüberfallen auf offener Straße zusehen. Uns passierte es (mit Happy End jedoch) in einem kleinen Dörfchen im argentischen Weingebiet auf dem Fahrrad. Ja, und irgendwie, fühlte sich Argentinien wie eine einzige „Rote Welle“ bei den Ampelphasen. Nichts ging einfach so rund und smooth. Für alles musste irgendwie gekämpft werden bis man das bekam, was man wollte. Und zweimal Bettwanzen innerhalb von 2-3 Wochen haben die Erfahrung nicht besser gemacht… Irgendwie lief’s bei uns einfach nicht. Nur das „Outback“ – also Patagonien und die kleinen Orte im Seengebiet – können wir ausnahmslos empfehlen.

Wenn wir schon im Listenfieber sind, geht’s hiermit gleich weiter:

10 Dinge, die wir an Südamerika vermissen werden:
– abwechslungsreiche Landschaften und Nationalparks; schöne Kolonialstädte und Plazas
– bezahlbare Übernachtungen und abwechslungsreiche Hostels
– frisch gepresste Säfte, Kokos-Eis (sooo lecker!) und gute, argentinische Empanadas!
menu del día: das günstige Tagesmenü mit Suppe, Hauptspeise und Getränk, teilweise sogar mit Dessert
– die kleinen Verkaufsstände & Kioske überall plus die unterhaltsamen Verkäufer im Bus a.k.a. „Marktschreier“ („Ich brauch noch Wasser. Ah, da ist ja schon wer!“)
– funktionierender, öffentlicher Nah- und Fernverkehr plus super Infrastruktur für geführte Touren
– viele freundliche Leute, die ehrlich an einem interessiert sind
– allesamt Länder mit (bewegter) Geschichte und indigenem Kulturgut
bezahlbare Taxis überall egal verfügbar: ein Traum!
weniger Konsumdruck, weil die Leute weniger haben als man selbst zu Hause und nicht viel brauchen zum glücklich sein, und weniger westliche Zwänge à la „Wie sehe aus? Was ziehe ich an? Was sagt die Waage? Bin ich erfolgreich genug? Bin ich interessant genug? bla bla bla…


10 Dinge, die einfach nur genervt haben:
– immer Preise verhandeln zu müssen und am Ende bleibt doch das Gefühl, den „Gringo“-Preis gezahlt zu haben (das Gefühl, verar$*#t worden zu sein, blieb oft)
– große Umweltverschmutzung, die kein Mensch interessiert (außer in Teilen Ecuadors, wo’s mal ein paar Schildchen gab, die straßenränder nicht vollzumüllen)
kalte Duschen (gerade, wenn man sich aufwärmen möchte, denn – anders als vermutet – ist es in Südamerika nicht dauerhaft warm, sondern meist Pullover-Wetter)
Toilettenpapier kommt in den Eimer, nicht ins Klo (teilweise seehr eklige Einblicke) und bei fehlender Spülung gab’s einen Eimer Wasser zum Hinterherkippen
Insekten, die man nicht um sich und an sich haben möchte: Moskitos und Bettwanzen!
– lange Nachtbusfahrten, teilweise ohne Klo, wenig Beinfreiheit für europäische Staturen und mit mulmigen Gefühl in Sachen Fahrsicherheit
– immer doppelt und dreifach auf seine Wertsachen acht geben zu müssen; vor allem in Großstädten (und an den Busbahnhöfen)
– Durchfall oder dieses mulmige Gefühl in der Magengegend, dass da gleich was Schlimmes im Enddarm passiert (und NATÜRLICH sitzt man im 12-18 stündigen Bus, was den Spaß noch größer macht)
– immer Wasser kaufen zu müssen, weil Leitungswasser nicht trinkbar ist (oje, unser Plastikkonsum… viele Silikon-Weichteile flossen unsere Speiseröhre hinunter!)
Nescafé statt ordentlichem Kaffee: wer hätte das gedacht! Der Kaffee-Kontinent bietet nur gezuckertes Pulver der schlechtesten Bohnenreste an! (nur in Kolumbien und Teilen Ecuadors gab’s echten Bohnenkaffee)

Es sei gesagt: Die positiven Dinge überwiegen die negativen bei weitem! Lasst euch nicht einschüchtern von dem bisschen Kleinkriminalität und Geldbeutel-unter-den-Klamotten tragen! Kann euch ebenso bei euch um die Ecke passieren! Ihr werdet belohnt mit Erinnerungen für die Ewigkeit! Da es ist dann auch egal, ob die Dusche nicht warm wurde. Hört nur bedingt auf das, was alle über das angeblich unterentwickelte und gefährliche Südamerika sagen: Der Kontinent ist im Wandel und ihr könnt es live miterleben! Hier kämpfen die Menschen noch für das, was ihnen wichtig ist (in Argentinien und Bolivien gibt’s täglich Demos) und das schicksalsgebeutelte Bündel aus Staaten heißt jeden Willkommen.

Wenn’s halt mal einen Euro teurer wird als es für einen Einheimischen wäre, so what? Verglichen mit Europa und Nordamerika ist das nix und wir leben im Überfluss… Wir ermutigen jeden, seinen Rucksack zu packen, die Freude in einer selektiven Kleiderauswahl zu finden (Besitz ist überbewertet) und sprachlos vor den Naturschönheiten zu stehen, den Geschichten zu lauschen, fantastischen Wein (Chile/Argentinien), Pisco Sour (Peru/Chile) oder Aguadiente (Kolumbien) zu trinken und den Blick über die Anden schweifen zu lassen. Ein Bild, das einen glücklicherweise von Norden bis Süden verfolgt…

Südamerika, wir kommen wieder!